Die Konsequenz zur Wiederholung – Meisterklasse der Veränderung
Wie sehr häufig auf diesem Blog bemühe ich das Modell der liegenden Acht (train the eight) als holistischen Veränderungsansatz, um über Veränderungen aller Art zu schreiben.
Sie müssen kein Fan des train the eight – Prinzips sein, sie müssen darin auch nicht den einzig möglichen Weg sehen. Es ist nur meine Art die Dinge zu erklären. Und weil darin viel Potenzial für Erkenntnis steckt, finde ich es sinnvoll, die liegende Acht zu bemühen.
Es beginnt im Geist
Wie formen Gedanken unsere Welt? Diese Frage habe ich in meinem Artikel „Wie Gedanken die Welt formen – positives Denken“ aufgeworfen und mit der liegenden Acht (die Grundlage des train the eight – Prinzips) darstellt.
Es gibt da aber noch einen Aspekt, der mir besonders wichtig ist und mein Verständnis von Veränderung, sei es der Wandel des Menschen oder der Wandel eines Unternehmens, noch entscheidend mit beeinflusst. Ich nenne diesen Aspekt die „konsequente Wiederholung“. Auch darüber habe ich schon geschrieben (Artikel).
Konsequente Wiederholung
Im Durchlaufen der liegenden Acht tauchen wir in die vier Quadranten der Veränderung ein. Jedes Schwingen durch alle vier Quadranten ist ein Stückchen des Weges hin zu einer gewünschten Veränderung. Nach jeder Erkenntnis braucht es einen neuen Anlauf, einen neuen Schwung, eben eine konsequente Wiederholung.
Es ist ein Üben, eine Form der Artistik, wie das Peter Sloterdijk in seinem aktuellen Buch „Du musst Dein Leben ändern“ beschreibt. Kein erfülltes Leben, keine Freude an gelungener Veränderung, ohne die Mühen der Wiederholung, ohne Übung und ohne ständige Verbesserung.
Veränderung kann auch passieren
Wenn ich sage, der schnelle Erfolg einer Veränderung ist ein Ausnahmefall und nur durch ständige Wiederholung in kleinen Schritten ist Erfolg möglich, dann ist das auch nur die halbe Wahrheit. Veränderung passiert nicht linear in immer gleich großen Schritten.
Im Basislager
Ich habe dazu folgendes Bild: Wir befinden uns zunächst in einem Basislager, in dem wir es uns wohnlich eingerichtet haben. Aus einem schöpferischen Gedanken folgt die Idee zur Veränderung, der erste Wunsch, das Basislager mit all seinen Gewohnheiten zu verlassen und einen weiteren Aufstieg zu wagen.
Wir befinden uns zu Beginn auf einem Attraktor – eine Bahn der Gewohnheiten – die wir nur mit Energiezufuhr verlassen können. Wir müssen uns aufraffen, die Sachen zusammen packen, den Rucksack anheben und Schritte tun. Durchwegs also unbequeme Aufgaben.
Achterbahn fahren
Dann begeben wir uns auf die Achterbahn der Veränderung und durchlaufen Bereiche des neuen Denkens, der neuen Haltung, des neuen Tuns und der neuen Erkenntnis. Ein solcher Durchlauf ist ein Schritt des Weges, der nun wiederholt werden will.
Die ersten Schritte sind meist sehr klein, kaum merkbar, weil uns der alte Attraktor noch sehr stark anzieht. Hiervon kommen wir nur durch viel Energieeinsatz, Mühe und wiederholten Schrittes weg. Doch wir verlassen den Attraktor und erweitern unsere Lemniskatenbahnen der liegenden Acht immer mehr.
Kunst der Wiederholung
Sehr oft erreichen wir durch die Artistik der Wiederholung einen neuen Attraktor der uns dann mit einem großen Schritt zu sich hinzieht. Plötzlich brechen alle Hindernisse in sich zusammen, die Veränderung erreicht ihren Tipping Point, wie das Malcolm Gladwell in seinem Bestseller beschreibt. Ein großer Schritt ist getan und ein Ziel ist erreicht. Große Leichtigkeit löst nun die Mühen ab und lässt uns auf einem neuen Attraktor einschwingen.
Die Vitalität erhalten
Wir wissen allerdings schon wenn wir uns niederlassen, dass wir auch auf neuer Höhe wieder nur ein neues Basislager einrichten, das wir in Zukunft wieder verlassen werden. Veränderung und Stabilisierung folgen aufeinander. Veränderung erweitert die Lemniskatenschwünge nach Außen, Stabilisierung schwingt uns auf einer liegenden Acht gleichbleibend ein.
Wichtig ist es nur, in Bewegung zu bleiben. Schwingen auf der liegenden Acht ist ein Lebenszeichen, eine Vitalität, die wir uns nicht selbst nehmen dürfen. Starre absorbiert Lebensfähigkeit, wie tiefes Schwarz das weiße Licht.
Herzlich,
Heinz Peter Wallner
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Meine aktuellen Bücher:
Lieber Peter,
Deine Zeilen und das Modell der liegenden Acht erinnert mich stark an das „Effectuation Prinzip“, mit dem ich mich im Sinne meines eigenen Entrepreneurships beschäftige. Ein Freund schreibt dazu auch ein Buch für den Marketing Club und hat mein Interesse dafür geweckt.
Das einzige Beständige ist die Veränderung. Das kennt man, doch ich meine schon länger, dass es nicht nur um Veränderung geht, sondern um Verbesserung (wobei das keine lineare Effizienzsteigerung sein muss) – aufbauend auf Erkenntnis und Analyse.
Mir scheint die liegende Acht und ihr Anwendungsgebiet quer durch alle Bereiche eines Unternehmens klar vor Augen, aber scheitert es wohl bei den meisten an der notwendigen Zeitqualität und inneren Einstellung bzw. „mood“ – überhaupt damit beginnen zu können.
Was kann da helfen, auszubrechen? Ist eine tiefe Krise, ein Zusammenbruch das einzige Mittel?
Lieber Hannes,
mit Deinem Entrepreneurship bist Du natürlich mitten im Feld der Veränderung; eine spannende Aufgabe. Ich sehe auch in der Veränderung an sich ohne Stabilisierungsphasen nur wenig Sinn. Ob das nun immer eine Verbesserung mit sich bringt? Wir Menschen haben unser Leben immer nach einem „Oben“ ausgerichtet, sei es ein göttliches Oben, eine Hierarchie, eine Stufe auf einer Karriereleiter, eine SiegerInnenposition, was es auch immer sein mag. Wir leben in einer dauernden vertikalen Spannung, die uns Energie gibt (vielleicht auch am Leben erhält). Oben ist also besser? In unserer Entwicklung machen wir immer Fortschritte und kommen mehr nach oben, fallen aber wieder zurück, erleiden eine Verschlechterung und fassen Mut für die nächste Verbesserung. Ein Oben bekommen wir normal nicht geschenkt, es geht nur mit Anstrengung – oder, im göttlichen Sinne, vielleicht durch Gnade.
Wie die Evolution, so ist auch unsere Entwicklung gerichtet. Richtung erkenne ich als Ausrichtung des „Feldes“ in dem wir uns befinden. Beschreiben kann ich eine Richtung nur als steigende Komplexität, als Integrität der Ökosysteme, als Interbeeing. Wahrscheinlich kann jeder Mensch diese Richtung fühlen, wenn auch nicht beschreiben. Wir wissen was gut oder schlecht ist, für uns, für das Ganze.
Linear ist Veränderung nicht, das sehe ich auch so. Wir machen am Anfang („im Zauber“) einen größeren Schritt, dann meist nur sehr geringe Fortschritte bis wir uns einem „Tipping Point“ nähern. Dann kann alles sehr schnell gehen. Leider gibt es diesen Tipping Point nicht immer, das zeigt zumindest meine Erfahrung.
Woran es scheitert? „Mood“ ist sicher ein guter Begriff. Für mich ist er angenehm besetzt durch „I’m in the mood for love …“ – damit hat schon viel Schönes begonnen. In der Wirtschaft ist die Veränderungsbereitschaft (-„mood“) nicht sehr ausgeprägt. Ich wundere mich immer wieder! Alle wollen nachdenken, weil es so nicht weiter gehen kann; nur wenige fangen damit an. Wie stark unser „Attraktor der Nicht-Nachhaltigkeit“ ist, zeigt die unglaubliche Beständigkeit dieses Wahnsinns. Die Krise hilft, sie weckt auf. Weil die wirkliche Tiefe noch nicht erreicht ist, scheinst Du recht zu haben. Ohne Zusammenbruch wird sich dieses System nicht ändern. Dazu ist es zu mächtig. Aber uns bleibt die Hoffnung, vielleicht ginge es gerade diesmal doch.
Lieber Peter, ich bin ganz bei Dir. Mit Verbesserung meinte ich auch nicht den reflexartig interpretierten aufstieg. Dieses kämpfende nach oben kommen. Verbessern kann – wie Du so richtig sagst – auch eine Ruhephase sein, in der man sich entspannt, reflektiert und analysiert. Ich denke gerade das ist bei dieser Pseudo-Krise (wo ist sie denn eigentlich?) nicht passiert. Hektisches Reagieren anstatt fundiertes Agieren.
Hermann Scheer hat heute bei 20 Jahre Eurosolar Austria eine feurige Rede gehalten. Herrliche Passagen und präzise Analysen der Systemproblematik eines kybernetischen Gefüges. Fehlt es den Steuermännern der Politik nicht einfach an Intellekt? Das klingt simpel, aber wenn ich großen Denkern zuhöre und dann Politiker „ertragen“ muss, scheint es so einfach.
Lieber Hannes, diese Krise wurde zwar anfangs sehr ernst genommen und hat – genau wie Du sagst – zu hektischen Reaktionen geführt. Dann aber haben wir uns von einem ersten Rückzug der höchsten Wogen irritieren lassen. Wir dachten schon, es sei vorbei. Die zweite Woge kann (wird) noch kommen. Die Grundfrage in diesem Fall ist für mich (zugegeben vereinfacht): warum sollte das billige Geld, dass wir in Massen in das System gepumpt haben langfristig aus einer Krise helfen, die ja genau durch billiges Geld entstanden ist? Du hast also sicher recht, es ist kein fundiertes Agieren zu erkennen. Schade eigentlich.
Die Politik hat sich entkernt und ihre Inhalte verloren. Die Komplexität der Situation ist einfach mit herkömmlichen Mitteln nicht mehr zu beherrschen. Wir befinden uns gerade mitten in einem Weltbildwandel; eine solche Zeit ist von vielen Krisen begleitet. Dass es keine klaren Lösungen gibt gehört hier mit zum Prozess. Die Politik hat es schwer, aber – da bin ich ganz bei Dir – die Performance müsste nicht gerade derart schlecht sein.
Wie pflegst Du zu sagen? Besser geht’s immer 🙂
Hallo Heinz-Peter,
also das mit der mangelnden Veränderungsbereitschaft der Wirtschaft sehe ich nicht so (eindeutig). Da wird fusioniert und sich in neue Märkte gestürzt, wenn es nur die Aussicht auf mehr Geld (und Macht/Markt) bringt. Wenn es aber um mehr Sinn und/oder Nachhaltigkeit und dieser Veränderungsimpuls noch von außen kommt, ja dann muß ich Dir recht geben.
Auf ein entspanntes, kreatives Schwingen in der Lila
Michael Bockhorni
Das mechanistische Weltbild ist in der Auflösung begriffen, da stimme ich zu. Die Krise wird äußerlich zu lösen versucht, ohne einer Lösung von innen heraus. Mir scheint, das ist dasselbe, als bekämpft man nur die Schmerzen mit Medikamenten, ohne der tiefgreifenden Heilung des Krankheitssymptoms. Genauso erscheinen mir auch die mechanistischen Systeme in unserer Welt. Sie gehen prinzipiell von einem beobachtenden Menschen als stabile Konstante aus (der innerlich ja eigentlich nicht konstant ist), dadurch wird alles äußerlich betrachtet und daher wird die Illusion der Entwicklung als linear „erlebt“. Fundamentale Krisen und Zusammenbrüche scheinen nötig zu sein, um den Menschen ins Bewusstsein zu „zwingen“ und erst dann scheint die Lösung von innen heraus zu beginnen. Die Systeme und ihrem Lösungsstrategien „widerspiegeln“ das innere Bewusstsein der Menschen. Solange das ausgeblendet bleibt, wird offenbar weitergewurschtelt, was das Zeug hält, bis es nicht mehr geht und nur noch der innere Wandel als die letzte Konsequenz in Betracht gezogen wird.