Agilität hat auch Nebenwirkungen
Wer heute ernsthaft die Probleme der Zeit lösen will, wird nicht selten hören, dass „sense – analyse – respond“ für komplexe Situationen nicht geeignet sei. Vielmehr würde „probe – sense – respond“ als heuristischer Dreischritt auf der Agenda von Menschen mit agilem Mindset stehen. Dieses „probe“, die Entscheidung für das Experimentieren, bringt auch Risiken mit sich. Hier geht es um die Nebenwirkungen der Agilität.
Dave Snowden, der Komplexitäts-Wissenschaftler, wird nicht müde, die wichtigen Unterschiede zu erklären. Willkommen in der Welt der Agilität heißt also auch willkommen in der Welt des generalisierten Experimentalismus und letztlich, willkommen in der Welt der Nebenwirkungen der Agilität.
„Die wichtigste Folge des generalisierten Experimentalismus kommt jedoch erst den gegenwärtigen Generationen zu Bewusstsein. Es stellt sich mehr und mehr heraus, dass jedes Experiment per se stets mit einer systematischen Vernachlässigung der Randbedingungen verbunden ist.“
(Peter Sloterdijk, Was geschah im 20. Jahrhundert?, Suhrkamp, 2016, 1, Auflage, Seite 66)
Agilität als neuer Modus Vivendi
Agilität wird immer mehr zum Modus Vivendi der Teams in den Unternehmen, die in kreativen und komplexen Welten agieren müssen. Eine der bekanntesten Methoden, die mit Agilität verbunden werden, ist das „Design Thinking“. Es ist eine neue Art der Glückssuche, eine neue Form der Auskundschaftung moderner wirtschaftlich nutzbarer Wirklichkeiten.
Die neue Glückssuche
Die Folgen dieser Form der Glückssuche konnten wir, nach Sloterdijk, schon in der Zeit der nautischen Globalisierung beobachten. Auch damals ging es den Menschen um neue Gewinnchancen und neue Prozeduren zur Naturkontrolle (Sloterdijk, Seite 65).
Eine erste Folge war eine unglaubliche Beschleunigung des technischen und kognitiven Fortschritts. Das ging bis zur Idee der „permanenten Revolution“. Die zweite Folge des Experimentalismus aber hat weit mehr Konsequenzen.
„Folglich ist vom erfolgreichen Experimentieren die Kunst des Ignorierens unabtrennbar.“ (Seite 67)
Die Summe der Nebenwirkungen
Wenn wir also in der agilen Welt immer mehr zum Experimentieren neigen, muss das eine Inflation von Vernachlässigungen mit sich bringen. Bei allem Enthusiasmus für die neuen Ansätze und Methoden aus der agilen Welt ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die das Ganze im Blick haben.
Es besteht sonst die Gefahr, dass in Summe alle Nebenwirkungen aus all den kleinen Versuchen und Experimenten gemeinsam, die Hauptwirkungen übertreffen.
Das Zeitalter Agilität muss also auch zeitgleich zum Zeitalter der integralen Bilanzen werden. Wer ja zur Agilität sagt, muss sich zu einer ganzheitlichen Sichtweise committen.
Tipp für Führungskräfte
Für Führungskräfte in Unternehmen kann das Denken in integralen Bilanzen damit beginnen, dass sie sich die SDG – die UN Sustainable Development Goals – einmal genauer ansehen. In keinem anderen Bereich hat sich unser Experimentalismus als Wirtschaft und Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten brutaler ausgewirkt, als auf dem Sektor Umwelt.
Die Schlussfolgerung lautet: Wer A für Agilität sagt, der muss auch B für integrale Bilanzen sagen. Und wer B sagt, der muss sein Studium bei den SDGs beginnen. Auch wenn dies auf den ersten Blick zweitrangig erscheinen mag, geht es doch um die Dringlichkeit einer Weltverbesserung, wenn nicht gar um die Rettung einer Welt, wie wir sie bisher kennen und lieben gelernt haben
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Weitere Artikel der Reihe:
Von reiner Planung zu schmutziger Agilität?
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Menschen motivieren – der gewollte Wille
Kritik an der Führung – die zwei Dimensionen
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Der akrobatische Weg der Führungskraft
Abbau der Vertikaldifferenzen – Wollen Sie das als Führungskraft wirklich?
Meine Inspirationsquellen für diese Zeilen:
Peter Sloterdijk: Werk
Peter Sloterdijk, 2016, Was geschah im 20. Jahrhundert?, Suhrkamp, 1, Auflage
Peter Sloterdijk, 1998, Sphären I, Blasen, Suhrkamp, 2. Auflage
Peter Sloterdijk, 1999, Sphären II, Globen, Suhrkamp, 1. Auflage
Peter Sloterdijk, 2009, Du mußt dein Leben ändern, Suhrkamp, 1. Auflage
Peter Sloterdijk, 2012, Zeilen und Tage – Notizen 2008 – 2011, Suhrkamp, 2. Auflage
Meine persönliche Darstellung des Self-Leaderships: Heinz Peter Wallner, 2016, TAKE FIVE – Die fünf Schlüssel zu mehr Lebendigkeit und innerer Stärke, Edition Summerhill, 1. Auflage, www.take-five-for-life.de, Link: Book2Look
Visuelle Aufbereitung und mit klarem Führungsbezug: Heinz Peter Wallner, Kurt Völkl, 2017, Fokus Self-Leadership – Gesunde und wirkungsvolle Selbstführung in Zeiten hoher Komplexität, Edition Summerhill, 1. Auflage, www.selfleadership.pro, Link: Book2Look
Video: Veränderung ganzheitlich verstehen – Heinz Peter Wallner auf YouTube
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