Führen ist ein Kirschenessen
Führungskräfte sind nicht dazu da, es leicht zu haben. Wenn wir diese These im Führungskräftetraining reflektieren, kann es schon zu sehr unterschiedlichen Meinungen kommen. Es bleibt also die Frage: Ist führen ein Kirschenessen – oder ist sie keines?
Ich blicke auf die ruhigen Gesichter der Crew und weiß, dass der Kurs stimmt (Käpt’n Visi O’När)
Das Leben ist ein Fest
Das Leben ist ein Fest, zumindest immer, wenn es Kirschen gibt. Eine reife, tiefrote Frucht, direkt vom Baum. Mag der „Tau von den Bermudas“ die einst wertvollste Essenz der Europäer gewesen sein, was ist sie schon im Vergleich zu einer Kirsche? Aber, in welchem Kontext stehen Führungsarbeit und Kirschenessen? Kann dieser Knochenjob ebenso ein Fest sein? Vielleicht braucht es noch die Redewendung „mit ihm / ihr ist nicht gut Kirschen essen“, um den Zusammenhang darzustellen.
Mit dieser Wendung beschreiben wir einen Menschen, der streitlustig, reaktionär, aggressiv, kritisch, ablehnend wirkt, ganz so, wie es viele Führungskräfte öfter sind. Somit steckt in diesem „fruchtigen Vergleich“ die ganze Polarität der Führungsarbeit, das gesamte Spannungsfeld, das Menschen erleben dürfen, wenn Sie andere anleiten oder angeleitet werden. Manchmal ist es ein Fest, ein wahres Kirschenessen – und manchmal ein Graus, wenn mit den Menschen nicht gut Kirschen essen ist.
So führt uns das Bild der Kirsche in den Raum der Widersprüche. Sie ist die wahre Verführung, die der Unterscheidung zwischen richtig und falsch, zwischen gutem und schlechtem Verhalten, ein Ende setzt.
Fest oder Graus? Nicht entscheidbar, sagt der Geist der Neuzeit.
Die Grenzen zwischen gut und schlecht beginnen zu fließen, sie gehen ineinander über und verlieren ihre Entschiedenheit für das eine oder das andere.
Führen ist ein Kirschenessen, führen ist kein Kirschenessen, …
Zur selben Zeit – rund 400 Jahre vor Christus – als die ersten Kirschen von der Schwarzmeerküste nach Europa importiert wurden, begann Aristoteles über Führung zu philosophieren und prägte den eigenschaftstheoretischen Ansatz. Während die Eigenschaften, die wir einer guten Führungskraft zuschreiben, den Moden unterliegen und sich daher der eigenschaftstheoretische Ansatz nicht als sehr zweckmäßig für den Erkenntnisgewinn darstellt, bleibt die Kirsche was sie schon immer war. Eines von so vielen Naturwundern, das einfach nicht mehr zu verbessern ist.
Führen ist ein Kirschenessen, wenn es um Menschen geht, um ein gemeinsames Gestalten von Unternehmen, von Zukünften, wenn gelingende Beziehungen im Mittelpunkt stehen, wenn Führung die Selbstwirksamkeit von Menschen auf die Probe stellt und wenn sie ständig bemüht ist, Sinn zu vermitteln. Führung macht erfolgreich, stärkt die Menschen und mit ihnen die Unternehmen. Geht es den Menschen gut, geht es der Wirtschaft gut. Umgekehrt gesprochen ist der Satz bekannter, aber leider weniger sinnvoll. Aber auch das lässt sich nicht so klar definieren, „weil die Welt längst unrettbar krank ist, wie von einem Pilz befallen, der Konturen tilgt“ (Peter Sloterdijk, Tau von den Bermudas, Seite 9). Richtig und Falsch scheinen zu verschmelzen – die Grenzen verschwimmen.
Neue Konturen in Sicht
Führung, die den Menschen stärkt, ist immer ein Kirschenessen. Der Nebel lichtet sich und zeigt erneut Kontur. Es ist ein Fest der Früchte, ein Privileg, das genossen werden darf. Früher war es ein Privileg der Reichen, Kirschen essen zu dürfen. Heute ist ein Privileg der in Geist und Herzen reichen Menschen, gute Führungsarbeit zu leisten und solche empfangen zu dürfen.
Führen ist kein Kirschenessen, wenn es einzig um Profite geht, wenn die Ufer des Risikos auf den Rücken der Menschen erobert werden, wenn der Mensch zum ökonomischen Störfaktor wird, der dem freien Fluss des Kapitals nur die Trägheit der Biomasse entgegenstellen kann.
Dann schwächt Führung die Menschen, bringt sie unter Druck und Stress, lässt sie grundlos brennen und am Ende ausbrennen. Dann sind wir an dem Punkt angelangt, an dem die Reichen gelangweilt ihre Kirschkerne auf die Armen spucken.
Es braucht wieder Entdeckergeist
Und dann dauert es nicht mehr lange, bis alle „den Hagel der Kerne“ spüren. Denn geht es zu vielen Menschen schlecht, geht es der Wirtschaft schlecht. Dieser Kurs führt uns anstatt zu den Inseln der Nachhaltigkeit zu den Inseln des kollektiven Scheiterns. „Lass‘ dem Delirium freien Lauf und mache Geld“ (Sloterdijk, Seite 26). Beim zweiköpfigen Janus, lass‘ uns diesen Burschen das Handwerk legen.“
Ansätze für das neue Führungskräftetraining
Führungsarbeit muss wieder auf Entdeckungsreise gehen. Zu entdecken gibt es die Natur, die reichen Ernten der Felder: Gemüse, Getreide, Früchte. Und darin liegt verborgen die reine Herzenslust: süß, gegenwärtig, frisch und „ohne Nebenwirkungen“. Wenn Führungsarbeit auch nicht immer gar so leicht wie Kirschenesssen sein wird – wir können versuchen, ihr die Schwere und „Kompliziertheit“ zu nehmen und uns an der Süße ihrer Komplexität und Wirksamkeit zu erfreuen.
Herzlich,
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Meine persönliche Darstellung des Self-Leaderships: Heinz Peter Wallner, 2016, TAKE FIVE – Die fünf Schlüssel zu mehr Lebendigkeit und innerer Stärke, Edition Summerhill, 1. Auflage, www.take-five-for-life.de, Link: Book2Look
Visuelle Aufbereitung und mit klarem Führungsbezug: Heinz Peter Wallner, Kurt Völkl, 2017, Fokus Self-Leadership – Gesunde und wirkungsvolle Selbstführung in Zeiten hoher Komplexität, Edition Summerhill, 1. Auflage, www.selfleadership.pro, Link: Book2Look
Video: Veränderung ganzheitlich verstehen – Heinz Peter Wallner auf YouTube