Philosophische Gedanken für Führungskräfte
Meine neue Artikelreihe: „Inspiriert von Peter Sloterdijk – Assoziationen für Führungskräfte“
Arbeiten unter „anti-agilen“ Bedingungen
„Was effektiv auslaufen könnte und zu enden verdient, ist die Periode, in der ein gewisser rationalistischer Skeptizismus als dogmatische Macht auftreten konnte. Unter seiner Vorherrschaft haben sich die metaphysisch unmusikalischen und religiös analphabetischen Menschen im Übermaß vermehrt, eingepfercht in die Plattenbauten der Entgeisterung, zu denen unseligerweise heute auch oft die Universitäten rechnen, bis hinein in die philosophischen Fakultäten.“ (Nach Gott, Peter Sloterdijk, Seite 329)
Nichts für unmusikalische Menschen?
Sind nicht auch viele Organisationen voller metaphysisch unmusikalischer Menschen? Welch leblose Atmosphären haben die hierarchischen Plattenbauten für Menschen aufzuwarten? Offensichtlich finden immer mehr Menschen keinen Sinn mehr darin, in entgeisterten Räumen unter „anti-agilen“ Bedingungen zu arbeiten. Sie wollen weder hier noch dort sein, sie probieren das Irgendwo und das Nirgendwo.
Letztlich bleibt die Erkenntnis, dass die Suche nach dem Anderswo, das Transzendente, das Agile, das ohne Diskontinuität nicht zu erreichen ist, als die einzige zukunftsfähige Option erscheint.
Es ist wahrlich kein Wunder, dass auch das klassisch hierarchische Management in eine Krise geraten ist. Der Mensch wird darin zum rein empfangenden Subjekt, das bereitwillig „top-down“-Diktaten folgt. Frei nach dem Konzept der Offenbarung wird jede Information zu einem Vorschlag, den niemand ablehnen darf.
„Der Empfang einer Offenbarung kommt diesem Modell gemäß der höchsten Möglichkeit vasallischer Passivität gleich“ (Nach Gott, Seite 327).
Diese Diagnose kann mit dem Begriff der „Anti-Agilität“ zusammengefasst werden. Die Regeln, die Vorgaben und Strukturen, die Kontrollen, die Mächte, die Götter und Untertanen in der Welt des alten Managements können in schöner Analogie mit dem Alten Testament verglichen werden. Es macht Menschen zu Aposteln, zu reinen Überbringern von Nachrichten aus höherer Quelle. Die Genies sind der Entgeisterung zum Opfer gefallen.
Das Experiment lebt von Genies
Und was erkennen wir heute? Überall wird von einer neuen „Agilität“ gesprochen, von einer neuen Begeisterung der Organisation, die in Menschen Wesen erkennt, die ihr eigenes Medium werden. Aus den Aposteln werden nun Genies. Und Sloterdijk bringt es auf den Punkt: „… so zelebriert das Genie seine Produktivität um ihrer selbst willen, es lebt im Genuss seiner „Natur“ und seines humoristischen Genügens an der eigenen Kraft… dem genialen Menschen überlegen ist allenfalls seine eigene Kreativität, die heute noch nicht weiß, womit sie sich und die Mitwelt morgen überrascht“ (Nach Gott, Seite 274).
Die Welt des „rapid prototypings“, des freien Experimentierens, die Menschen zu Medien ihrer selbst werden lässt, hat ihre Tore geöffnet. Zu betreten aber ist sie nur über die Pforte der Transzendenz.
Die agile Organisation orientiert sich sinngemäß am Neuen Testament, das dem Prinzip der Liebe folgt. „Es umschließt das Archiv all dessen, was die in Kulturen zersplitterte Gesellschaft nicht vergessen darf, wenn sie ihre weiteren Schicksale unter einen emphatischen Begriff von Zivilisation stellen will“ (Seite 331). Agilität wird somit für mich ein emphatischer Begriff von Organisation. Es geht um Organisationen, die Plätze für Genies haben und die Apostel die Post holen lassen.
Herzliche Grüße,
Heinz Peter Wallner
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