Home Blogartikel Unternehmenskultur der Sorge, Freude oder Gleichgültigkeit

Unternehmenskultur der Sorge, Freude oder Gleichgültigkeit

Unternehmenskultur der Sorge, Freude oder Gleichgültigkeit
by Heinz Peter Wallner

Unternehmenskultur der Sorge, Freude oder Gleichgültigkeit

Hier wieder ein Einblick in meine Schreibwerkstatt. Zu diesem kurzen Text hat mich erneut der von mir hoch geschätzte Peter Sloterdijk inspiriert. Das Thema ist die Organisation und die Kultur der Sorge. Als Berater und Führungskräftetrainer ist die Frage der Unternehmenskultur und auch der Führungskultur ein Dauerthema. Hier ein paar Gedankenskizzen für Führungskräfte, um den Umgang mit der Unternehmenskultur besser zu meistern.

Bild einer Laterne mit einer brennenden Kerze. Die Laterne ist aus schwarzem Metall, das mit einem Glaszylinder ausgestattet ist. Man sieht nur die Laterne und im Hintergund ein Stiegenhaus.

Veränderung bringt Sorgen und macht Menschen angst

Die massiven Veränderungen der Welt bieten genügend Themen an, um Organisationen in eine negative Resonanz zu bringen, wo Sorge und Angst die prägenden Beziehungsmuster werden. Der gesunde Anteil dabei ist die Empörung über allerlei Meldungen aus der Umwelt, die die Last des Realen noch schwerer machen und den Menschen das Joch anbieten und alle Debatten über Motivation zum belanglosen Gelaber werden lassen.

Peter Sloterdijk meint treffend: „Tatsächlich ist der psychologische Großkörper, den wir Gesellschaft nennen, nichts anderes als eine von medial induzierten Stress-Themen in Schwingung versetzte Sorgengemeinschaft.“ Und aus meiner Sicht sind die kleineren „Großkörper“, also Unternehmen und Organisationen, davon auch nicht verschont.

Empörung ist auch gut – Mitarbeiter/innen sollen sich beschweren!

Andererseits ist eine Regung der Mitarbeiter/innen in Organisationen auch schon ein positives Zeichen, weil sie ein Lebenszeichen darstellt. Schlimmer ist die Organisation, in der ein haltloses Zusammenspiel in krankmachender Gleichgültigkeit um sich greift und die innerliche Kündigung der Mitarbeiter/innen einer Verabschiedung von jeder Form der Lebendigkeit gleichkommt. Wo sich aber Empörung regt ist noch Hoffnung. „Empört Euch!“ die Streitschrift von Stéphane Hessel regt sogar genau dazu an.

Der Empörung entspringt eine gesunde Form des Widerstandes gegen Unrecht, gegen destruktive Entwicklungen in unserer Gesellschaft, gegen die Unmenschlichkeit. Viel Empörung in Organisationen aber nährt sich aus einem Widerstand gegen den Augenblick, den das Leben uns als Herausforderung aufgibt. Wir empören uns über etwas, das so nicht hätte passieren dürfen. „Die Entscheidung des Vorstandes ist eine Katastrophe für uns!“ oder es ist etwas, was wir erwartet haben, das aber nicht eingetroffen ist. „Der Auftrag hätte kommen müssen!“.

Wir können die Situationen drehen und wenden wie wir wollen, es findet sich immer ein Anlass für Empörung. Wie gesagt, wenn das schon keine konstruktiven Züge annimmt, so ist doch nicht alle Hoffnung verloren. Erst wenn sich keine Regung mehr erkennen lässt, keine Energien spürbar sind und sich die Gleichgültigkeit wie ein Honigfilm über alle Menschen zieht, sind wir in einer tiefen Krise. Es zahlt sich also immer aus, im Jammertal auf die Suche nach Hoffnungsspuren zu gehen.

Die helle Seite der Organisation

Und auf der anderen Seite, auf der helleren Seite, dort wo das Krisengerede nicht ganz so ernst genommen wird, wo der Glaube an die Gestaltungskraft der Menschen und das Vertrauen in eine gute Zukunft nicht verloren sind, finden wir einen anderen Strom des Lebens vor. Hierin erfreuen sich die Menschen einer gestalterischen Kraft, die fast eine schöpferische Kraft als Schutzengel an ihrer Seite haben muss, weil andere Erklärungen schwer zu finden sind. Hier sind die Beziehungen von Offenheit, gegenseitigem Respekt, Freude, Vertrauen, Beharrlichkeit im Guten und Lebendigkeit geprägt.

Aus diesem Wertecocktail bilden sich jene Nährstoffe, die den Sprössling des Sinns durch die Organisationen treiben. Dieser Sinn verfolgt keinen Zweck, er ist einfach da und bietet seine Kraft jenen an, die ihn entdecken. Wer eine solche Organisation noch nicht selbst erspürt hat, mag das als romantisches Freiheitsgefasel abtun. Die anderen wissen darüber bescheid und stellen sich die wirklich wichtige Frage: Wie können wir als Organisation vom Ufer der Sorge zum Ufer der Sinns überwechseln? Und noch ein wenig wichtiger ist es, das „wir“ durch ein „mich“ – in der Rolle einer Führungskraft – zu ersetzen. Was kann ich als Führungskraft dazu tun? Was muss ich lernen?

Ein Fährmann, ja!

Die einfache Antwort hat uns Herman Hesse in seiner indischen Dichtung „Siddhartha“ schon gegeben. „Am liebsten wäre es mir, Fährmann, wenn du mir eine alte Schürze gäbest und behieltest mich als deinen Gehilfen bei dir, vielmehr als deinen Lehrling, denn erst muss ich lernen, mit dem Boot umzugehen. Lange blickte der Fährmann den Fremden an, suchend.“ Ja ein Fährmann zu werden ist eine Antwort. Wer aber kann heute noch ein Floß bauen und ein Ruder zimmern?
Genug der Geschichten?

Sicher bietet uns die Welt des Change Managements auch eine Reihe von Brücken an, deren Bau wir beginnen können. Auch mit unserem „train the eight“ Modell üben wir uns im Brückenbau und bieten allerlei Prinzipien, Konzepte und Instrumente an, die Sie als Führungskraft anwenden können. Besser passt aber das Bild des Fährmanns mit seinem Floß, weil Brücken heutzutage schon wieder zu starr sind, während das Floss mit Ihnen auf die Reise gehen kann. Womit sich nun schon wieder eine Metapher eingeschlichen hat.

Mein Tipp für Führungskräfte:

Wir sind in unseren Organisationen häufig von Sorgen und Stress geprägt.  Eine Unternehmenskultur der Sorge aber hilft in komplexen Zeiten wenig. Es wäre gut, sehr gut sogar, die Seite zu wechseln und Vertrauen und Freude zum neuen Kulturmuster werden zu lassen. Dazu brauchen Führungskräfte neue Kompetenzen. Wir müssen dann das Optimieren kurz beiseite schieben und der Veränderung ihren Raum und unsere volle Aufmerksamkeit widmen. Darum geht es letztlich. Führen in Zeiten der Veränderung ist eine neues, ganzheitliches Führen.

Herzlich,

Heinz Peter Wallner

 

 Weitere Artikel zum Thema Unternehmenskultur:

Befreiung aus der unterbeseelten Passivität durch die vier guten Begeisterungen

Das Wertemodell von Clare W. Graves

Führungsarbeit und Beziehungsqualität

Agile? Wider die rationalistische Entgeisterung der Organisationen

 

 


 

Dr. Heinz Peter Wallner Learning to change! Dem Wandel begegnen, Komplexität meistern, auf höhere Ebenen kommen! Führungskräftetrainer, Strategie- und Changeberater, Buchautor, Vortragender, mit 25 Jahren Berufserfahrung. Leadership, Self -Leadership und Persönlichkeitsentwicklung, Umgang mit Veränderung und hoher Komplexität (VUCA Welt), Leading Change, Entscheidungsfindung und neue emotional-intuitive Führungskompetenzen für agile Führungsformen. Das ganzheitliche und kreative Design wird Sie überraschen. Web: www.hpwallner.com Takern I 109, 8321 St. Margarethen/Raab, Österreich Mobil: +43-664-8277375 Office: +43-664-8277376 Mail: wallner [at] trainthe8.com Office: office [at] trainthe8.com

3 Kommentare

  1. Lieber Peter,
    danke für den anregenden Artikel. Gerade das Zitat von Peter Sloterdijk über den Resonanzkörper Gesellschaft ist prägnant. Bin gespannt, welche Bücher da so kommen – von dir 🙂

    PS: Das Kommentar Plugin ist aber neu, oder? Schaut gut aus, wie heißt es denn?

  2. Lieber Hannes, danke Dir 🙂 Ja, Peter Sloterdijk formuliert wortgewaltig, immer wieder unglaublich tiefgehend. Neu ist derzeit am Blog noch gar nichts … alles wie gehabt, aber ich bin an einer „Reform“ dran.

    Die zwei Bücher sind eigentlich ein Büchlein über „Veränderungsprinzipien“ und ein Buch über „ganzheitlich/nachhaltige Führung“ – beide werden aber noch eine schöne Zeit brauchen. Immer wieder werde ich am Blog kleine Einblicke in meine Denkwelten geben.

    Danke für’s Vorbeischauen!
    liebe Grüße,
    Peter

  3. Einen beträchtlichen Teil des Futters für unsere Sorgengemeinschaften spendet sekündlich CNN, stündlich der Nachrichtensprecher, täglich die ZIB und so weiter. Nachrichten sind ja manchmal von Vorteil 😉 – sie haben zumindest mir jahrelang die Butter auf mein Brot gespendet, zumeist aber lediglich künstliche Aufplusterer, damit sich die Schmerzkörper der Menschen wieder so richtig sauwohl fühlen.
    Danke für den tollen Essay – hat Freude gemacht, ihn zu lesen.

Schreibe einen Kommentar