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Schwerpunkt Intuition im Business

Schwerpunkt Intuition im Business
by Heinz Peter Wallner

Schwerpunkt Intuition im Business

Hier folgt ein weiterer Artikel meiner Reihe: „Schwerpunkt Intuition im Business“ – diesmal habe ich einen Kollegen aus der Schweiz eingeladen, einen Gastbeitrag zu schreiben.

Gastautor Claude Rosselet fragt: Intuition und Leidenschaft oder doch strategische Pläne schmieden?

Intuition ist eine durch alle Denkbarrieren plätschernde kosmische Zärtlichkeit.
(Zitat von Peter Horton, »Die zweite Saite«, Echter Verlag 2004)

Tiefer Blick in die Komplexität der Natur

Vor über 15 Jahren habe ich bei Claude Rosselet in der Schweiz eine Ausbildung zum systemischen Organisationsberater genossen. Heute noch stehe ich mit ihm in Verbindung. Er zählt zu den ganz Großen in der Management-Aufstellungsarbeit. Seine Bücher über professionelle Aufstellungsarbeit haben weite Verbreitung gefunden. Es geht um die Erschließung eines impliziten Wissens zum Nutzen der Organisation. Und hier sind wir wieder in der Domäne der Intuition angekommen.

Vier weitere Artikel zum Thema „Intution im Business“ sind bereits online:

  1. Intuition – neue Entscheidungskompetenz und Neuland für Führungskräfte (Teil 1)
  2. Sechs Bereiche der Intuition – Erkundungen im Neuland für Führungskräfte (Teil 2)
  3. Gastbeitrag: Helga Prazak – Der sechste Sinn (Teil 3)
  4. Gastbeitrag: Helga Prazak – Der siebente Sinn (Teil 4)

Gastautor Claude Rosselet, Inhaber der Firma Inscena Systemische Beratung GmbH in Männedorf (Schweiz), stellt in seinem Gastbeitrag die Frage: Macht Management Sinn?

Ein Zukunftsbild speist sich aus Wünschen, Hoffnungen und Sehnsüchten. Es beinhaltet lauter Möglichkeiten. Wenn wir es kritisch prüfen, so geschieht dies anhand der Leitdifferenz „plausibel – unsinnig“. Die Zeit vor uns bleibt allerdings immer ungewiss – und deshalb wohl unterliegen wir dem Bedürfnis, sie in Plänen „festzuschreiben“. Das Datenmaterial, das uns als Basis dient, wird dabei kompiliert nach quasi wissenschaftlichen Gesichtspunkten. Unter der Hand kommt eine neue Leitdifferenz ins Spiel: „richtig – falsch“. Damit sitzen wir aber in der Falle. Und wir fangen an zu analysieren, anstatt voranzuschreiten.

Erfolgreich sind wir trotz unserer Pläne

„Wir haben mit großer Sorgfalt ein ‚Mission Statement‘ erarbeitet. Wir haben viel Zeit darauf verwendet, eine Vision ins Leben zu rufen. Mit Hilfe renommierter Managementberater haben wir unsere Strategien formuliert. Wir haben Balanced Scorecard eingeführt, und jedes Jahr überarbeiten wir im Rahmen unserer Zielwerkstatt die Unternehmens- und Ressortziele… Und wir sind ein recht erfolgreiches Unternehmen. – Bloß eins ist beunruhigend: Wir realisieren die Erfolge oft nicht dort, wo wir sie eingeplant haben!“ Das sagt ein erfolgreicher und zugleich etwas verunsicherter CEO.

Abgesehen von der delikaten Frage, wem in einer solchen Situation der Erfolg anzurechnen ist – dem akribisch analysierenden Management oder den Mitarbeitern, die ihre bisher erfolgreichen Routinen gegenüber den Zumutungen einer neuen geschäftspolitischen Ausrichtung bewahrt haben, oder gar einem dritten Element: dem Eigensinn der Organisation als „kollektive Intelligenz“ oder „Spirit“ – stellen sich Probleme auf einer grundlegenden Ebene: Der Ebene der Entwicklung von Unternehmen.

Organisationen kann man nicht so regulieren wie Maschinen. Sie reagieren nicht auf (Knopf-)Druck in einer ganz bestimmten, voraussehbaren und –sagbaren Weise. Ihre Entwicklung ist nicht zu berechnen. Denn sie sind durch und durch eigensinnig. Damit wird allerdings nur wiederholt, was bereits hinlänglich bekannt ist. Aber offensichtlich bleiben die in Unternehmen vorherrschenden Planungsroutinen gegenüber dieser Einsicht einigermaßen resistent.

Grenzen der strategischen Planung

Die strategische Planung – die „Königsdisziplin“ des Managements – hatte seit ihrer „Erfindung“ in den sechziger Jahren ein wechselndes Schicksal: Dank ausgefeilter „Tools“ wurde sie von vielen Unternehmen rasch übernommen. Manager und Berater waren überzeugt, dass die Präzision der eingesetzten Denkmodelle die Möglichkeit bot, die hohe Komplexität im Verhältnis der Organisation zu ihren Umwelten „in den Griff“ zu bekommen. Erst mit der Zeit begriff man, dass die auf „Facts & Figures“ reduzierten Begriffe komplexer Sachverhalte nicht diese Sachverhalte selbst sind. Kein Plan hat je die Verhältnisse – schon gar nicht solche, die in der Zukunft liegen – eins zu eins eingefangen. Was in die Pläne eingeht, ist eine Übersetzung dieser Verhältnisse – eines komplexen Zusammenspiels der Stakeholder einer Organisation in Bezug auf einen zu generierenden Gesamtnutzen – in die Botschaften der Planer, und diese Botschaften vermittelt in der Regel nicht hinreichend Sinn.

Wenn Mitarbeiter mit leerem Blick den Powerpoint-Präsentationen – dem Orientierungsmedium „par excellence“ – ihres Managements folgen, hat das wenig mit mangelnder Intelligenz, aber sehr viel damit zu tun, dass sie ein anderes Verständnis als ihre Chefs vom Geschäft ausgebildet haben. Und das heißt: Sie haben ihre eigenen Sinnhorizonte. Mitarbeiter leben in einer anderen Welt als das (Top-)Management, sammeln ihre eigenen Erfahrungen und entwickeln in der Folge ein eigenes Bild von den unternehmerischen Verhältnissen.

Erstaunlich an der ganzen Sache ist eigentlich nur, dass man versucht, die „Planungsungenauigkeiten“ nach dem Motto „Mehr Desselben“ zu bewältigen: Man verwendet mehr Zeit für die Analyse, kreiert raffiniertere Planungssysteme, und die Plandaten werden detaillierter ermittelt. Offenbar haben weder Manager noch Berater andere Formen der Generierung von Zukunft zur Hand als eben die (analysegestützte) Planung. Dabei gibt es eine Reihe von Beispielen, die zeigen, dass – gerade im Bereich der grundlegenden Innovationen – sich einiges am Markt durchsetzte, das nie in einem Businessplan gestanden hatte.

Die Landkarte ist nicht die Landschaft

Pläne sind Landkarten – weiter nichts. Sie weisen auf die Topographie einer Landschaft und den Verlauf von Verkehrsrouten hin; aber über den Zustand der Wege nach heftigen Regengüssen geben sie keinerlei Aufschluss. Keinesfalls können sie das Abenteuerliche einer Reise eliminieren, aber irgendwie scheinen sie Sicherheit zu vermitteln.

Hier befinden sich die Manager auch in einem echten Dilemma. Sie sind einerseits mit dem von unterschiedlichen Seiten erhobenen Anspruch konfrontiert, Gewissheit über die „Machbarkeit“ künftiger Entwicklungen nicht nur zu vermitteln sondern gleichsam auch zu verkörpern. Andererseits wird ihnen – falls sie hinzuschauen bereit sind – permanent vor Augen geführt, dass ein Erfolg nicht das Ergebnis einer plandeterminierten Steuerung ist, sondern aus dem mehr oder weniger geschickten Umgang mit stochastischen – also durch den Zufall gesteuerten – Prozessen resultiert. Und das bedeutet: Gelegenheiten ergreifen, Risiken eingehen – einen ersten Schritt einfach tun. Dabei leiten Intuition und die Leidenschaft für das Geschäft oft besser als ein detailliert ausgearbeiteter Plan. Und in der Regel inspiriert die Plausibilität einer Idee weit mehr als die Richtigkeit von irgendwelchen Zahlen (die ja auch immer wieder angezweifelt werden können).

Die vergessene Exzellenz

Rationalistischen Planungsansätzen ist eines gemeinsam: Sie fallen einer Tendenz zur Trivialisierung und verkürzten Sicht der Verhältnisse anheim. Dabei werden folgende „Erfolgsfaktoren“ wenn nicht abgewertet, so doch systematisch ausgeblendet: Wünsche und Sehnsüchte, Intuition und vor allem die in der Praxis gehärtete Erfahrung der beteiligten Akteure. Auf letzterer baut allerdings gerade Exzellenz auf. Exzellenz wird aber auch immer wieder übersehen, weil sie nicht lärmend und angeberisch daherkommt, sondern sich in Disziplin übt. Sie führt im doppelten Wortsinn ein stilles Dasein.

Vor jeder Erfindung von Zukunft ist deshalb der unverstellte und anerkennende Blick, auf das was (erfahren worden) ist, eine notwendige Voraussetzung. Damit wird fürs erste auch eine vorschnelle und ungerechtfertigte Bewertung suspendiert. Ist dieser Blick dann auch noch mit der nötigen Tiefenschärfe ausgestattet, so zeigen sich ihm jene Triebkräfte, die etwas zu dem gemacht haben, was es ist. Dadurch gewinnt die Herkunft der Dinge eine Plastizität, die es möglich macht, nächste konsistente und die Grunddynamiken aufgreifenden Schritte in eine Zukunft anzuschließen. Und so wird vorhandener Sinn bestätigt und zugleich erneuert.

Planung wird damit aber keineswegs obsolet. Vorhaben mit Ressourcen auszustatten, die nicht in beliebigem Umfang bereit stehen, gehört zu den zentralen Aufgaben des Managements. Hier ist Rationalität sehr wohl gefragt. Aber recht eigentlich sinnvoll wird Planung erst, wenn ein vitales Zukunftsbild bestimmt ist, das die Bedingungen der Möglichkeit integriert. Sonst wird ja nur ganz platt die Vergangenheit in die Zukunft fortgeschrieben. (Was nur taugt, wenn wir weiterhin in der Vergangenheit zu leben gedenken – aber bitte mit etwas besseren Zahlen!)

Aufgabe Zukunft

Die Notwendigkeit, zukunftstaugliche unternehmerische Entscheidungen zu treffen, hat in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen. Das hat verschiedentlich zu einer neuen Praxis der Gestaltung von strategischen Entscheidungsprozessen geführt: statt Abschottung eines kleinen Führungskreises in Klausuren gibt es breit angelegte Dialoge mit relevanten Stakeholdern; statt ausschließliche Konzentration auf „abzuhandelnde“ Sachverhalte Horizonterweiterung in mäandernden Diskursen; statt Expertisen zu Fragen über die Zukunft schlichter gesunder Menschenverstand.

Ein zentrales Moment dabei ist das auf dialogischen Prinzipien beruhende Gespräch. Das in der Schwebe halten der individuellen Meinung führt im Dialog zu einem gemeinsamen Bewusstsein, das dem späteren Handeln des Einzelnen oder Teilen der Gemeinschaft Orientierung und Legitimation zugleich gibt – David Bohm spricht in diesem Zusammenhang auch von Sinn. Das individuelle Bewusstsein geht im und durch den Dialog auf in einem kollektiven Bewusstsein.

Ähnliches geschieht beim szenischen Arbeiten, beispielsweise im Rahmen der systemischen Aufstellungsarbeit. Auch hier findet ein kollektiver Sinnstiftungsprozess statt. Dabei wird zusätzlich zum expliziten auch das stillschweigende – implizite – Wissen einbezogen, um Zukunftsfragen fundiert zu beantworten. „Um erfolgreich in neu entstehenden Business-Kontexten operieren zu können, müssen Führungskräfte die Fähigkeit beherrschen, emergierende Zukunft zu spüren, in Kraft zu setzen und zu verkörpern“ schreibt der MIT-Professor Claus O. Scharmer (Presencing, 2000, S. 5). Das klingt schon so, als wolle er auf die Aufstellungsarbeit – die er aber nicht erwähnt – anspielen. Tatsächlich kann man durch sie in der vierten Dimension seines Transformationsprozesses – auf der Ebene des „Presencing“ – gerade jenes Erfahrungswissen erschließen, welches die Basis für jegliche Entwicklung in Unternehmen ist. Zur Dekodierung dieses Wissens gibt es bis heute nur wenige und zum Teil (zeit-)aufwendige Methoden. Hier kommt also die Aufstellungsarbeit als einfache – nicht simple – Lösung gerade richtig.

Gespräche stiften Sinn

Gespräch und szenisches Arbeiten machen möglich, was keine noch so akribische Analyse von Märkten, Kunden- und Mitarbeiterverhalten u.ä.m. leisten kann: Sie stiften Sinn. Und wo Sinn voraus geht, dort folgen Commitment und Aktion.

Claude Rosselet

Kontakt: c.rosselet@inscena.ch.

 

Claude Rosselet, lic. oec. HSG, Inhaber der Firma Inscena Systemische Beratung GmbH in Uerikon (Schweiz). Mehrjährige Tätigkeit in leitenden Funktionen; seit 1994 Beratung von Führungskräften, Management- und Projektteams sowie Organisationen in Innovations- und Veränderungsprozessen; Lehrbeauftragter zum Thema systemische Interventionen an verschiedenen Hochschulen und Instituten. Spezialgebiet: Systemaufstellungen in Organisationen (Management Constellations). Website: www.inscena.ch, Kontakt: c.rosselet@inscena.ch.

 

Dr. Heinz Peter Wallner Learning to change! Dem Wandel begegnen, Komplexität meistern, auf höhere Ebenen kommen! Führungskräftetrainer, Strategie- und Changeberater, Buchautor, Vortragender, mit 25 Jahren Berufserfahrung. Leadership, Self -Leadership und Persönlichkeitsentwicklung, Umgang mit Veränderung und hoher Komplexität (VUCA Welt), Leading Change, Entscheidungsfindung und neue emotional-intuitive Führungskompetenzen für agile Führungsformen. Das ganzheitliche und kreative Design wird Sie überraschen. Web: www.hpwallner.com Takern I 109, 8321 St. Margarethen/Raab, Österreich Mobil: +43-664-8277375 Office: +43-664-8277376 Mail: wallner [at] trainthe8.com Office: office [at] trainthe8.com

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