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Management 4.0 – Nur ein Update oder ein radikaler Neuanfang in Unternehmen?

Management 4.0 – Nur ein Update oder ein radikaler Neuanfang in Unternehmen?
by Heinz Peter Wallner

Management 2.0 – 4.0 – Nur ein Update oder ein radikaler Neuanfang in Unternehmen?

Ein MOOC (Massive Open Online Course) ist eine innovative Lernform für große Gruppen, die neue Medien nutzt und sich gerade selbst weiter entwickelt. Hier folgt ein Artikel zum MOOC über das Thema „Management 2.0 – 4.0“ statt. Mehrere hundert TeilnehmerInnen und ausgewählte ExpertInnen gehen „mehr oder weniger gemeinsam“ der Frage nach, welche Formen das Management in der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts annehmen wird. Das Motto lautet: „Management 1.0? Nein danke!“

Handskizzen Entwicklungen im Management: Es ist ein Bild mit weißen Rahmen; drinnen findet sich eine Handskizze mit schwarzer Tusche; kleine Skizzen von der liegenden Acht, Textskizzen.

Lokale Lerngruppen

In einer lokalen Lerngruppe, die der Schweizer Komplexitätsexperte Peter Addor initiiert hat, ging es in einem „Google+ Hangout on Air“ um die Frage der Definition des Begriffes. Was verstehen wir eigentlich unter Management 2.0?

Ein Streit um Worte?

Es stehen naturgemäß  viele mögliche Interpretationen zur Verfügung, die einander auch überschneiden und voneinander abhängig sind. Hier einige Beispiele:

  • Management 2.0 ist ein neues Management, ganz im Sinne einer neuen Version, 2.0 eben.
  • M 2.0 ist ein neues Management, das auf das Web 2.0 zugreift und es für die Kommunikation und Interaktion zu Nutze macht (hierzu gibt es einen Blogbeitrag von Peter Addor)
  • 2.0 ist ein neues Management, das sich an den Prinzipien und Strukturen des Web 2.0 auf einer Metaebene orientiert, und so Menschen in einen neuen Dialog bringt, die Intelligenz der Vielen nutzt etc. (das schließt Web 2.0 Plattformen natürlich mit ein; es ist aber nicht der Hauptaspekt).
    Beispielsweise könnten Methoden von Peter Kruse hier neue Wege aufzeigen.
  • Management 2.0 ist ein Management 2. Ordnung, das „Management des Managements“ – analog zur Kybernetik 2.Ordnung (die Beobachtung der Beobachtung…) – somit eine Art systemisches Management, also etwas, was es in den systemischen/kybernetischen Schulen des Managements schon seit Jahren gibt (Management-Kybernetik nach Stafford Beer, Fredmund Malik)

Und was jetzt?

Mir persönlich gefällt die Gedankenskizze, Management 2.0 als Management 2. Ordnung zu begreifen, gut. Wir betreten erneut das systemische Weltbild, das Systemdenken und das kann nur gut sein. Sicher sind wir mit so einer Definition recht progressiv und intellektuell unterwegs. Wir haben auch noch viel Potenzial die Kybernetik 2. Ordnung von Heinz von Förster und MitstreiterInnen besser zu verstehen, tiefer zu begreifen und für den Managementalltag nutzbar zu machen.

Aber, ist das Thema „2. Ordnung“  nicht trotz aller ungenutzten Potenziale schon etwas antiquiert? Gehen wir nicht Jahrzehnte zurück und schließen an, wo die Kybernetik 2.Ordnung aufhörte? Ich finde im „Begriff 2. Ordnung“ steckt noch immer ein guter Rest des mechanistischen Grunddenkens. Wo sind da die neuen Erkenntnisse über den Menschen? Wo ist da die Lebendigkeit? Ein Beispiel: Die Syntegration von Stafford Beer bzw. heute Fredmund Malik als Kommunikation 2. Ordnung ist ein mächtiges Werkzeug, Menschen effektiv in Kommunikation zu bringen und hochwertige Ergebnisse zu generieren. Es ist beeindruckend und durchwegs faszinierend, wie das funktioniert, kein Zweifel.

Kommunikation und Wandel

Die Frage aber, die bleibt: Sind es solche Formen der Kommunikation, die den notwendigen Wandel wirklich ermöglichen? Wie soll sich daraus eine nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft formieren? Entsteht der Wandel nicht genau dort, wo Menschen einfach als Menschen miteinander in Kontakt stehen und einen empathischen Dialog beginnen? Sinn entsteht nicht aus einer intellektuellen Systembetrachtung; viel eher dort, wo Menschen in einer Gemeinschaft eingebunden sind und „sinnvoll“ zur Entwicklung des Ganzen beitragen können. Management 2.0 muss nicht nur Komplexität und damit Ungewissheit „moderieren“, es muss Menschen in Kontakt bringen, Sinn erzeugen, Wahrnehmungen schärfen, Dialoge initiieren,  Gesundheit zum Thema machen und vor allem, einen radikalen Wandel unterstützen.

Was bleibt?

Management 2.0 ist aus meiner Sicht ein neues Management, das sich aus einer ganzheitlichen Weltsicht heraus entwickelt. Es ist nicht die Verbesserung des bisherigen Managements, es ist ein neues Management, das besser auch einen anderen Begriff beansprucht. Was es können wird?

  • Es wird einen radikalen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft initiieren und moderieren
  • M2.0 wird das kollektive Wissen der Menschen nutzen und intelligent vernetzen
  • Es wird sich am Menschen orientieren und eine neue Beziehungsqualität fördern
  • M2.0 wird im Tun die Möglichkeiten in Schwebe halten und Entscheidungen in Prozesse umwandeln
  • Es wird den Entwicklungen Zeit geben, Menschen zum Innehalten animieren und gemeinsames Lernen ermöglichen
  • ….. und all das, was ich aus heutiger Perspektive nicht sehen kann. #

Erkundung der kollektiven Intelligenz

Es gibt eine Intelligenz der Menschen, die jenseits des individuellen Wissens liegt. Wir können den bekannten Begriff des kollektiven Geistes, des kollektiven Wissens, dazu verwenden. David Bohm hat hier viele wichtige Vorarbeiten geleistet. Management 2.0 muss aus meiner Sicht diese Form der Intelligenz erkunden und für den Wandel nutzbar machen. Das, was wir heute an Lösungen für unsere zukunftsfähige Entwicklung brauchen, wird kein individueller Geist gebären.

Das neue Management kann dabei eine wichtige Funktion übernehmen. Von alleine wird der Wandel nicht gelingen. Im Gegenteil. Das alte Management ist naturgemäß der Wasserträger des alten, an die Grenzen gekommenen Systems. Management 2.0 initiiert entweder einen gemeinschaftsbildenden, sinnorientierten Prozess hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft und Wirtschaft, um so die Fragmentierung in der Welt zu beenden, oder es ist schade um die Zeit, darüber weiter nachzudenken.

Ein Hinweis für Führungskräfte

Wer jetzt spirituelle Ansätze erkennen will und daher in den Widerstand geht, liegt nicht ganz falsch. Was aber soll uns die Zukunft Gutes bringen, wenn wir als Menschen uns die spirituelle Dimension der Welt nicht reichhaltiger erschließen lernen? Management 2.0-4.0 ohne spirituelle Dimension wird den Herausforderungen der Zeit, der Weiterentwicklung der Menschen und der ganzheitlich-nachhaltigen Entwicklung nicht gerecht.

 

Herzliche Grüße,

Heinz Peter Wallner

 

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Meine persönliche Darstellung des Self-Leaderships: Heinz Peter Wallner, 2016, TAKE FIVE – Die fünf Schlüssel zu mehr Lebendigkeit und innerer Stärke, Edition Summerhill, 1. Auflage, www.take-five-for-life.de, Link: Book2Look

Visuelle Aufbereitung und mit klarem Führungsbezug: Heinz Peter Wallner, Kurt Völkl, 2017, Fokus Self-Leadership – Gesunde und wirkungsvolle Selbstführung in Zeiten hoher Komplexität, Edition Summerhill, 1. Auflage, www.selfleadership.pro, Link: Book2Look

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Dr. Heinz Peter Wallner Learning to change! Dem Wandel begegnen, Komplexität meistern, auf höhere Ebenen kommen! Führungskräftetrainer, Strategie- und Changeberater, Buchautor, Vortragender, mit 25 Jahren Berufserfahrung. Leadership, Self -Leadership und Persönlichkeitsentwicklung, Umgang mit Veränderung und hoher Komplexität (VUCA Welt), Leading Change, Entscheidungsfindung und neue emotional-intuitive Führungskompetenzen für agile Führungsformen. Das ganzheitliche und kreative Design wird Sie überraschen. Web: www.hpwallner.com Takern I 109, 8321 St. Margarethen/Raab, Österreich Mobil: +43-664-8277375 Office: +43-664-8277376 Mail: wallner [at] trainthe8.com Office: office [at] trainthe8.com

11 Kommentare

  1. Guten Morgen Peter,

    erst einmal vielen lieben Dank für die Blumen, die Du mir heute Morgen mit diesem Artikel überreichst. 🙂 Ein sehr inspirierender Artikel.

    Du sprichst mir quasi aus der Seele: Es geht um Menschlichkeit. Wir müssen die Wirtschaft, ach was sage ich, wir müssen unser ganzes Leben wieder menschlicher gestalten. In vielen meiner Threads und Kommentare auf der Xing-Community zum MOOC Management 2.0 lasse ich das auch immer wieder anklingen.

    Ob uns hier das Thema “2.Ordnung” weiter hilft, kann ich nicht wirklich sagen. Ich habe es als Ankerpunkt gewählt, weil in allen Gedankengebäuden, die auf 2.0 aufgebaut sind, der Mensch als Beobachter und Entscheider eingeschlossen ist.

    Das folgende Zitat, was an dieser Stelle sehr gut passt, habe ich hier (http://blog.team-vision.at/2011/10/23/die-illusion-von-der-objektivitat/) gefunden.

    „Alles was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt. Humberto Maturana – Biologe, Philosoph und Erkenntnistheoretiker unterstellt mit diesem Satz, dass jede Aussage zu einem wesentlichen Teil vom individuellen Standpunkt ihres Verfassers (d.h. des Beobachters) beeinflusst wird. Die persönliche Wahrnehmungsleistung, blinde Flecken, eigene Interessen, persönliche Erfahrungen sowie unbewußte Scheuklappen und Vorurteile beeinflussen unsere Wahrnehmung und damit auch unsere Beschreibung der Welt.“

    Ich gebe Dir absolut Recht. Wir sollten hier nicht aufhören stehen zu bleiben. ALLES was uns hilft, die Wirtschaft menschlicher zu gestalten, sollten wir probieren, sicher auch die Spiritualität.

    Beste Grüße,
    Conny

  2. Guten Morgen Conny,

    danke für Deinen Kommentar und das tolle Zitat. Du bist ja mit Deinem Blog ein Kämpfer für den Wandel und die neue Menschlichkeit in der Wirtschaft. Mein Beitrag deckt sich mit Deinen Ideen, auch, weil ich mich oft bei Dir inspirieren lasse.

    Nach unserem ersten HOA+ war mir danach, etwas zu schreiben, was ich in der Diskussion irgendwie vermißt habe. Ich bin überzeugt, dass der ganzheitliche Wandel nur mit einer Öffnung des Geistes gelingen kann. Da gilt es noch zu üben 🙂 Freu mich auf den weiteren Austausch!

    liebe Grüße,
    Peter

  3. Lieber Peter

    Vielen Dank, dass Du mich in Deinem spannenden und engagierten Artikel zitiert hast. Vielleicht darf ich dazu noch etwas klären.

    Wir alle sind uns einig, dass wir nicht nur ein neues Managementdenken brauchen, sondern neue Wirtschaftsmodelle schlechthin. Morgen ist die USA Pleite, und vermutlich wird sie niemand künstlich am Leben halten, wie Griechenland. Alles geht zu Bruch, ist nur noch schäbig, wir erleben gleichzeitig einen Integritätsabbau und niemand weiss mehr weiter.

    Eigentlich hätten wir ja seit Jahrzehnten ausgesprochen gute Ansätze. Ich denke da an Senges Lernende Organisation oder Savages Fifth Generation Management, um zwei zufällig ausgewählte Ansätze aus den 90ern zu erwähnen.

    Wenn jetzt, 2013, in einem MOOC also über „Management 2.0“ gesprochen wird, dann kann es sich kaum um das Neue Managementdenken handeln, das wir schon seit Jahren fordern. Die Bezeichnung „2.0“ würde ja auch wenig Sinn machen, nachdem Savage bereits in den 1990er Jahren vom „fifth Generation Management“ gesprochen hat.

    Was hingegen relativ rezent ist, ist die Unterstützung eines Neuen Managementdenkens durch Web 2.0 Techniken. Damit erklärt sich auch die Bezeichnung „2.0“. Beachte die diversen Positionspapiere dieser Woche im MOOC zum Thema „Enterprise 2.0“. Sie basieren alle auf einer sehr intensiven Nutzung von Web 2.0 Services.

    Selbstverständlich bin ich ganz bei Dir, wenn Du schreibst, das neue Managementdenken sei ein Management 2. Ordnung und eine ganzheitliche Weltsicht, die nicht einfach eine Ergänzung des bisherigen Managementdenken sein darf, sondern ein radikaler Neuanfang. Aber ich glaube, darum geht es im „Management 2.0“ des MOOC nicht. Jedenfalls nicht in den bisherigen Positionspapieren.

    Die Frage ist und bleibt natürlich, wie wir eine neue, ganzheitliche Denke mit spiritueller Dimension einführen wollen, wenn jeder von uns noch ein Viertelprozent mehr Zinsen auf dem Alterskapital will und dadurch die Shareholders aus den Unternehmen ein halbes Prozent mehr Rendite herausholen wollen und daher die CEO im nächsten Quartal entsprechend mehr Gewinn erwirtschaften müssen und ihre Mitarbeiter zu noch mehr Leistung bei weniger Lohn auffordern, was bedeutet, dass kreative Pausen von den Kunden sofort als Schwäche ausgelegt werden und sie zu der Konkurrenz überlaufen, so dass der CEO das Ziel nicht erreicht und gefeuert wird, etc. etc.

    Du siehst den „balancing cycle“ oder – wie der Volksmund sagt – Teufelskreis. Vielleicht ebnen ja Web 2.0 Technologien das Terrain, auf dem wir dann das wirklich neue Management implementieren können. Ich weiss es nicht. Du bist der Change-Experte!

    Herzliche Grüsse,
    Peter

  4. Lieber Peter,

    danke für die Klarstellung. Du hast natürlich ganz recht, im MOOC Management 2.0 geht es sehr klar um die Web 2.0 Technologien im Management. Das verstehe ich schon. Mein Artikel ist nur eine freischwebende Gedankenskizze, zu der mich unsere Diskussion im HOA+ angeregt hat. Aus den Papieren des MOOC heraus ergibt sich ja auch wenig Grund über die 2. Ordnung zu diskutieren; wir machten es, weil es Spaß machte.

    Warum aber sollten wir 2013 nicht über ein neues Management nachdenken und schreiben? Wenn wir danach gehen, was alles schon einmal gedacht und geschrieben wurde, könnten wir uns wohl 99% aller Artikel und Bücher sparen. Dabei ist uns meist nur ein sehr kleiner Teil des Wissens überhaupt bekannt, weil der größte Teil am Friedhof nicht publizierter Manuskripte für uns gar nicht auffindbar ist. Ideen müssen sich iterativ weiter entwickeln, sie müssen wiederholt gedacht werden, um für uns nutzbar zu werden; ganz so wie Märchen und Geschichten sich über Generationen gefestigt haben.

    Ich schätze das Buch von Peter Senge sehr, auch viele andere, aber sie sind nicht die Steintafeln für die nächsten Generationen sondern die Quelle der Inspiration für uns im Heute.

    Dieser MOOC ist sicher interessant und lehrreich; der Fokus ist diesmal „2.0“ – nur zugegeben, meine Energien finden in diesem Thema zu wenig Resonanz. Daher mein Ausflug.

    Wie es uns gelingen kann, die spirituelle Dimension zu erschließen? Lass uns das weiter denken und den Weg in kleinen Schritten gehen. Ich merke, es werden immer mehr Menschen, die sich dafür zumindest interessieren. Das nehme ich als gutes Zeichen einmal mit 🙂

    Danke und herzliche Grüße,
    Peter

  5. Lieber Peter!

    Wieder ein informativer, spannender und mutiger Artikel von dir. Es hat Freude gemacht, den Artikel zu lesen und die eigenen Gedanken weiter fließen zu lassen …

    Systemisches und kybernetisches Denken hat etwas faszinierendes. Da gibt es oft eine beeindruckende Klarheit. Auch die daraus abgeleiteten Methoden z.B. in Beratungen können eine große Intensität auslösen. Ich stimme dir zu: hier liegt noch viel Potential. Es stimmt aber auch, dass es im Kern ein mechanistisches Denken ist.
    Diese Modelle können sehr effektiv sein und sie können sicher gut mit 2.0 Technologie kombiniert werden. Aber wenn es darum geht, ‚menschlichere‘ oder ‚lebendigere‘ Gesellschaften aufzubauen müssen wir noch nach anderen Orientierungen Ausschau halten.
    Ähnlich wie bei dir liegt hier mein Anliegen. Was sind die Orientierungspunkte für eine nachhaltige und lebendige Entwicklung?

    So sprichst du von Gemeinschaften. Ich würde allgemeiner fragen: wie funktioniert lebendiger bzw. menschlicher Kontakt und wie kann er gefördert werden?
    Ich denke dass dieser Frage jeder zustimmen wird. Aber was heißt ‚menschlich‘ bzw. ‚lebendig‘. Um uns orientieren zu können müssen wir hier konkret werden. Innerhalb von welchem Modell sind diese Begriffe keine Phrasen, sondern können tatsächlich orientieren?

    Ich möchte da wieder etwas Werbung für Wilhelm Reich machen. Vor ca. 100 Jahren sah er sich in einem uns wohlbekannten Widerspruch. Auf der einen Seite sah er sich nahe den Vitalisten. Sie hatten einen guten Zugang zur Natur, aber ihre Aussagen hingen irgendwie in der Luft. Auf der anderen Seite waren die Mechanisten. Sie hatten gute Methoden, aber eben kein Verständnis vom Leben. Beide Seiten waren für ihn Spaltungsprodukte (mechano-mystische Spaltung). Er suchte eine Wissenschaft, die den Kontakt in den Vordergrund stellte und systematisch erforscht. So bildete er einen Begriff von Leben, der in einer Tradition steht, die an die Zeit vor der Spaltung anknüpft. Ich finde diese Perspektive sehr produktiv und eben über aktuelle Koordinaten weit hinaus weisend.

    Dass der mechanistischen Perspektive etwas fehlt ist offensichtlich. Ich wäre aber vorsichtig, schnell auf die andere Seite zu greifen und zu sagen: dann brauchen wir die Spiritualität. Wenn beides nur Spaltungsprodukte sind, führt dies in eine Sackgasse.

    Was genau fehlt uns bei den Mechanisten? Und was genau soll die Spiritualität leisten?
    v. Foerster spricht in einem Interview (Youtube) davon, dass auf Fragen, auf die keine Antworten gegeben werden können, immer „Teilchen“ erfunden werden, die die Lücke schließen sollen. Die Kybernetik hinterlässt auch Lücken, die aber nicht mit Spiritualität gefüllt werden können.
    Eine spirituelle Perspektive kann in meinen Augen sehr fruchtbar sein. Aber was genau ist damit gemeint? Mir ist die Kategorie „Leben“ wichtiger. Sie ist die Grundlage unseres Lebens und damit für alle Lebensbereiche grundlegend ;-).

    Was sind sinnvolle (auch spirituelle) Grundlagen für eine zukunftsweisende Perspektive? Auf was können wir uns da einigen? An dieser Stelle würde ich gern weiter denken.
    (kleiner Artikel: http://id-blog.or-so.de/2010/08/10/warum-lebendige-wissenschaft/leben-vitalitaet)

    Viele Grüße
    Ingo

  6. Lieber Ingo,

    herzlichen Dank für Deinen Kommentar und den bereichernden Beitrag! Deine Fragen gefallen mir sehr: Was sind die Orientierungspunkte für eine nachhaltige und lebendige Entwicklung? Wie funktioniert lebendiger bzw. menschlicher Kontakt und wie kann er gefördert werden?

    Und Dein Argument wider die Konzentration auf „Spaltungsprodukte“ kann ich gut nehmen. Bin ich doch selbst mit den „train the eight“ Prinzipien auf den Syntheseweg ausgerichtet und sehe in der Polarität nur den Start der Entwicklung. Daher ganz klar: ja! Ein neuer Fokus auf Spiritualität ist sich auch eine Sackgasse. Die Kybernetik hinterlässt Lücken, die nicht mit Spiritualität gefüllt werden können… – auch diesen Gedanken mag ich sehr.
    Nur fehlt mir dieser Pol in unserer Domäne der Organisationsentwicklung bzw. Führungskräfteentwicklung derzeit zu sehr. Ist das nicht ein guter Grund für mehr Energie in diese Richtung?

    Danke für Deinen Artikel, der hier anknüpft! http://ingo-diedrich.de/lebendige-wissenschaft/leben-vitalitaet

    Herzliche Grüße,
    Peter

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