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Kollektives Denken und Ganzheitlichkeit

Kollektives Denken und Ganzheitlichkeit
by Heinz Peter Wallner

Kollektives Denken und Ganzheitlichkeit möglich machen

Wenn in Gemeinschaften, Gruppen oder in Teams Konflikte auftreten, so ist es sehr hilfreich, sich an die Vorstellung „wir blicken alle nur aus dem Fenster eines fahrenden Zuges“ zu erinnern. Es sind nicht wir Menschen, die Konflikte haben, sondern es sind unsere Gedanken, die eine Auswahl aus unserem gemeinsamen Gedankenstrom getroffen haben, und daran „anhaften“ (so gesehen ist das Ego eine Gedankenklette).

Das Anhaftende der Gedanken

Diese anhaftenden Gedanken sind oft so voneinander verschieden, dass zwischen den Gedanken Spannungen auftreten. Jeder Konflikt zwischen Menschen ist daher ein Konflikt der individuellen Gedanken der Egos und kein Konflikt der Menschen selbst. Schon gar nicht gibt es zwischen den Gedankenwelten Differenzen in deren Wertigkeiten, weil sie ja alle Teil des ganzen Gedankenstroms sind. Es ist nur die Frage, ob wir in der Lage sind, aus der richtigen Distanz die eigenen Gedanken zu betrachten.

Ein Konflikt ist daher aus dieser Perspektive ein Spiel, das zwar durchaus Spaß bereiten oder emotional reinigend sein kann, aber eben nicht mehr. Es ist so, wie wenn wir sagten, die Welt besteht nur aus Telegrafenmasten und der andere sagte, stimmt nicht, sie besteht nur aus Bäumen. Wer sich von seinen Gedanken lösen und auf Distanz gehen kann, sich also im Reflektieren und in der Präsenz übt, der wird dieses Spiel durchschauen und wertschätzend lächeln können.

Hilfreiche Analogien

Aus dem Beispiel „fahrender Zug“ können wir noch einige hilfreiche Analogien ableiten. Die Auswahl des Umfeldes in dem der Zug fährt, die Wahl der Strecke und die Wahl der Seite der Betrachtung von der aus man aus dem Fenster blickt, also all das, was gesehen und was nicht gesehen werden kann, entspricht einer Eingrenzung die das Team auswählt. Diese Eingrenzung ist der gemeinsame „Geist“ des Teams. Die vielen einzelnen Bilder – die Bäume, die Telegrafenmasten, die Berge, an denen die Menschen für Momente anhaften entsprechen den „Gedanken“ (das ist das individuelle Denken). Alle Bilder gemeinsam, also alles was sehbar ist, entspricht dem gemeinsamen Gedankenstrom (das ist in Analogie das kollektive Denken).

Bewusstsein im Hintergrund

Gehen wir noch einen Schritt weiter, so entspricht dem, was hinter dem Gedankenstrom liegt und alles miteinander verbindet, nur Bewusstsein. Das Bewusstsein ist der Hintergrund in dem alles seinen Platz hat und wo alles in Verbindung ist. Den Raum für unseren Gedankenstrom – alles was wir zulassen – bestimmt die Gruppe durch ihren gemeinsamen Geist. Alle individuellen Gedanken werden nur dem kollektiven Gedankenstrom entnommen und sind somit auch nicht originär.

Wir haften diesen Gedanken nur zwischenzeitlich an, mehr nicht. Alles Denken, individuell und kollektiv hängt also zusammen und bildet eine Alleinheit aus. Dort, wo diese Einheit sich findet, liegt das Bewusstsein der Gruppe von Menschen. Daran können wir gemeinsam arbeiten, wenn es auch lange dauert, mühsam ist und nur unter großen Widerständen sinnhaft erscheinen kann.

Das Fazit daraus?

Gemeinschaften und Teams lernen nicht dadurch, dass ihre Mitglieder ihre eigenen Gedankenwelten (ihre Egos) kultivieren. Individuelles Lernen mag eine Voraussetzung sein, um gemeinsames Lernen möglich zu machen, aber es hilft dem Team noch lange nicht weiter. Mögen die individuellen Gedankenwelten auch noch so beeindruckend erscheinen, sie sind bereits da und somit keine neuen Entwicklungen. Sie sind dem kollektiven Gedankenstrom entnommen worden und bereichern daher nur scheinbar.

Wirklich weiter kommt das Team im ersten Schritt nur dann, wenn es den gemeinsamen Gedankenstrom wahrnehmen kann und die Werthaftigkeiten der individuellen Gedanken aufgibt. Entscheidend aber ist noch mehr der zweite Schritt, nämlich wenn das Team die Begrenztheit seines Gedankenreservoirs erkennt und bewusst zu erweitern versucht. Mit unserem Beispiel gesprochen funktioniert das dadurch, indem das Team Seite im Zug wechselt oder gar eine andere Strecke wählt, wenn der alte Raum der Annnahmen – das Reservoir – nicht den neuen Anforderungen entspricht.

Gedankenreset

Anstatt darüber zu streiten, wer beispielsweise in der derzeitigen Krise die richtige Meinung vertritt und den besten Lösungsvorschlag hat, sollte das Team ein „Gedankenreset“ machen und die Seite im Zug wechseln. Nur in einer erweiterten Gedankenwelt können Lösungen entspringen, die heute wirklich helfen. Diese andere Seite kann die Welt der Nachhaltigkeit sein.

Engels- statt Teufelskreise

Engels- statt Teufelskreise

From EGO to ECO

Dieser Beitrag möge uns dabei helfen, eine andere Haltung unseren eigenen Gedanken und den Gedanken anderer gegenüber zu entwickeln. Ziel ist es, den eigenen und den anderen Gedanken gegenüber eine offene, neutrale und kreative Haltung einzunehmen, die Lust auf weiteres Erkunden weckt. Ablegen hingegen sollten wir jede starre, wertende und reaktive Haltung gegenüber den Gedanken und somit dem Denken anderer. Das ist der alte Kampf zweier Egos, mehr nicht.

(Beginn des Artikels: Teil 1)

Wien, 18.2.2009

Herzlich,

Heinz Peter Wallner

 

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4 Kommentare

  1. Guten Tag Heinz Peter Wallner, mit großem Interesse lese ich die Gedanken und Möglichkeiten eine Sichtweise zu erarbeiten, die uns vielleicht DIE Wege öffnet, Neues zu entdecken um – und das scheint mir sehr wichtig – endlich die Änderungen herbei zu führen, eine Welt zu gestalten, die wir uns alle offenbar so sehr erträumen? Doch – Sie schreiben doch selbst – das ist der ALTE Kampf zweier EGOS -mehr nicht – liegt denn nicht darin der Ansatz zu verändern, endlich zu TUN? Wie lange kämpfen zwei Egos denn noch einen alten Kampf; sind wir Menschen überhaupt fähig, altes wirklich los zu lassen , um neue, sinnvolle und nachhaltige Wege zu beschreiten – herzliche Grüße, Roswitha Hutz

  2. Liebe Frau Roswitha Hutz,
    danke für Ihre Rückmeldung!

    Schon sehr lange sind viele Menschen dabei, die „neue Welt“ zu erdenken. Es gibt viele Konzepte und Ideen, die auch schon teilweise in die Umsetzung gingen. Ich frage mich daher auch oft, ob es nicht einfach nur am TUN scheitert. Längst wissen wir genug, um zu handeln. Aber wenn wir handeln, dann kommt dabei nicht immer das heraus, was wir zu Beginn wollten. Oft wird die „Kritik“ am System der Steigerung zum Nährstoff des Alten und stärkt, was kritisiert wurde (so ist das z.B. mit dem Umweltkritik passiert – hier wurde die Umwelttechnik – neben all den positiven Erfolgen – auch zum neuen Wachstumsmotor der Steigerungswirtschaft (zumindest war das so vor der Krise)).

    Zu oft habe ich beobachtet, dass dem Denken ein schnelles Tun folgt, das dann nicht zum „Erfolg (im Sinne einer positiven Veränderung)“ führt. Es braucht eine Phase dazwischen, die ich einfach als „neue Haltung“ (annehmen) bezeichne. Dem „Neuen Denken“ folgt eine „Neue Haltung“ (eine Werthaltung, eine innere Einstellung – vielleicht einfach das „neue Bewusstsein“ – oder: dem Denken folgt das spüren, das Herz, dann wird alles zum „gefühlten Wissen“, das auch umgesetzt werden kann) und erst dann kann ein erfolgreiches „Neues Tun“ folgen. So jedenfalls sehe ich das in vielen Veränderungsprozessen, auch im Kleinen.

    Vielleicht haben Sie Lust, dazu einen anderen Beitrag in meinem Blog zu lesen, wo ich das Modell „Lernen in der liegenden Acht (LILA)“ beschreibe.
    http://lilamanagement.wordpress.com/2009/01/24/die-lernende-organisation-in-lila-%E2%80%93-das-management-neu-denken/

    Dort geht es zwar primär um das Management von Veränderungen in Organisationen/Unternehmen, aber ich sehe das als Gedankenmodell auch für andere Veränderungen.

    Und zur Frage, „sind wir fähig?“ … ich glaube ja, weil die Entwicklung des Bewusstseins der Menschen fortschreitet. Das ermöglichst viele neue Wege.

    Liebe Grüße, Heinz Peter Wallner

    http://www.lila-management.com

  3. Guten Tag zusammen,

    wie ich gelesen habe, machen Sie sich ähnliche Gedanken über unser Verhalten und unsere Gedanken wie ich. Dieses „Kollektive Denken“ würde ich aber nicht auf die Quantenphysik zurückführen, sondern ich sehe eher eine gemeinsame „Triggerung“ durch augenfällige Beobachtungen unserer „mesokosmischen“ Welt und deren Entwicklung.

    Ich sehe die teilweise große Diskrepanz zwischen Denken und Handeln eigentlich in zwei Ursachen begründet. Die erste ist wirklich unser Ego, das auf Selbstbehauptung, Machtausübung usw. ausgerichtet ist, ein Relikt aus unserer tierischen Vergangenheit, die uns noch ein „Reptiliengehirn“ (Zwischenhirn) als altbewährtes Organ zur Langfrist-Erhaltung unserer eigenen Gene im darwinistischen Sinne hinterlassen hat. Ich jedenfalls spüre einen ständigen Kampf zwischen meinem einigermaßen (hoffe ich) vernunftbegabten Großhirn und diesen archaischen (=egoistischen) Gehirnarealen in mir. Könnte es sein, dass es anderen Menschen auch so geht? Ich muss mich ständig bemühen, mein „Reptiliengehirn“ unter Kontrolle zu halten, das immer nur sagt: Ich, ich, ich, Sex, Sex, Sex, Macht, Macht, Macht, Geld Geld, Geld! Vor Allem das Geld hat beim Menschen die Rolle der Schmuckfeder des Pfaus übernommen.
    Manchmal habe ich den Eindruck, dass es noch viele Menschen gibt (mich manchmal leider eingeschlossen), die ihr Großhirn noch in den Dienst ihres Reptiliengehirns stellen, was ich mit „Cleverness“ bezeichnen würde. In obigem Bild reißen sie den Anderen die „Schwungfedern“ aus, um sie sich als „Schmuckferdern“ an den Hut zu heften. Je nach Sichtwinkel nennen wir das „Gerechtigkeits- oder Neid-debatte“. Leider muss ich sagen, dass ich in unserer sogenannten Einkommens-Elite eine überdurschnittliche Quote derartiger Individuen vermute.
    Wir Menschen sind zwar offensichtlich keine „Tiere“ mehr, aber anscheinend doch noch nicht ganz „Mensch“, deren vernunftbegabtes Großhirn in uns einflussreich genug ist, um unser archaisches „Reptiliengehirn“ in die Schranken zu weisen. Wir brauchen mehr „Weisheit“, die wir von den Alten lernen können, deren „Reptiliengehirn“ ausgedient hat, die dadurch dem wahren Menschen in uns dadurch immer näher kommen.

    Die zweite Ursache sehe ich in den aus der Physik bekannten Strukturbildungsphänomenen nichtlinearer dissipativer Systeme, was manchmal auch mit „Emergenz“ bezeichnet wird. Dabei meine ich die spontane Bildung von Strukturen und Prozessen, die eigentlich keiner gewollt und geplant hat. Ein Beispiel ist in gewisser Weise auch unser Finanz- und Wirtschaftssystem, bei dem sich keiner als Verursacher sieht, aber alle als Opfer. Und im Grunde ist es auch so. Der Komplexitätsgrad ist so hoch, dass ihn keiner mehr durchschaut. Aber vielleicht gibt es auch keine Institution, die sich darum bemüht (?).
    Es gibt viele Beispiele solcher sich selbst organisierender Strukturen, die eine hohe Kohärenz anstreben (Laser, Fischschwärme, menschliches Verhalten im Fußballstadion oder unter bestimmten Rahmenbedingungen (drittes Reich). Diese gemeinsame „Triggerung“ (Herdentrieb) halte ich daher für sehr gefährlich. Den Medien kommt daher eine ganz große Verantwortung zu. Niemals darf das „Reptiliengehirn“ in uns direkt angesprochen werden, vielmehr müssen wir unser vernunftbegabtes Großhirn trainieren und so weiterentwicken, dass es befähigt wird, auf eine neue Erkenntnis- und Abstraktionsstufe zu steigen.

    Die nächste Stufe, die wir kollektiv erreichen müssen, ist das Nachhaltigkeitsdenken, um uns daran zu hindern, uns wie ein Hefepilz zu verhalten, der den Zucker einer Nährlösung schnellstmöglich in Alkohol umzusetzen, um dann im eigenen Dreck unter zu gehen.
    Für mich stellt sich die Frage, wie man die Menschen vom rein reaktiven „linke Tasche – rechte Tasche-Denken“ zu einem „systemischen Denken“ hinführen kann, das eine höhere Abstraktionsfähigkeit erfordert. Wir müssen unsere eigendynamischen Systeme und Verhaltensweisen quasi „von außen“ betrachten und sie studieren. Wir müssen uns also in die Rolle des Spielleiters versetzen, der sich befugt fühlt, auch notfalls die Spielregeln zu verändern.

    Na ja, so viel mal als Diskussionsanregung.

    Viele Grüße
    Roland Burk

  4. Sehr geehrter Herr Burk,

    zugegeben ist Ihr Beitrag eine große (sehr willkommene!) Herausforderung. Immer wieder habe ich ihn gelesen. Hier einmal ein paar Anmerkungen und weitere Fragen.

    Ich sehe im kollektiven Denken so etwa wie einen „unsichtbaren“ Zusammenhang, vielleicht wie wir es vom Bild der Schwärme kennen. Ein Schwarm denkt nicht, ein Schwarm ist Gedanke (Andreas Weber). Was Sie mit „ich sehe eher eine gemeinsame „Triggerung“ durch augenfällige Beobachtungen unserer „mesokosmischen“ Welt und deren Entwicklung“ meinen, kann ich nicht ganz verstehen.

    Zur Diskrepanz zwischen Denken und Handeln:
    Die Macht des Egos sehe ich genau so. Wohl jeder Mensch muss (darf?) sein Ego erkennen und sich darüber erheben. Schon wenn wir das Ego und sein Tun erkennen, ist das ein Entwicklungsschritt. Mir geht es genau so wie Sie es beschreiben. Aber manchmal kann ich mein Ego wahrnehmen und zumindest ein wenig darüber lachen. Was aber das Ego aus uns macht sehen wir – da bin ich ganz ihrer Meinung – in all den Krisen, in denen wir uns heute befinden. Auf dem „Egoauge“ sind wir großteils blind. Das Ego macht alles zum Kampf, zum Vergleich, zum Wettbewerb. Das führt uns weit weg von nachhaltiger Entwicklung und hält uns – mit viel „Cleverness“ – fern vom Erwachen. Ihren Ausführungen über das Ego und das Tier-Mensch Problem kann ich auch gut folgen. Komplexer wird es dann mit Punkt zwei …

    „Die zweite Ursache sehe ich in den aus der Physik bekannten Strukturbildungsphänomenen nichtlinearer dissipativer Systeme, was manchmal auch mit „Emergenz“ bezeichnet wird. Dabei meine ich die spontane Bildung von Strukturen und Prozessen, die eigentlich keiner gewollt und geplant hat.“
    Wohl verstehe ich gut, was Emergenz und dissipative Strukturen bedeuten, nicht aber kann ich das im Zusammenhang mit der angesprochenen „Diskrepanz zwischen Denken und Handeln“ einordnen.

    Ich habe einen ergänzenden einfachen Zugang dazu: Wir können mit unserem Handeln – auch wenn wir noch so aktiv sind – nichts Neues in die Welt bringen, wenn wir nicht zuvor unser Bewusstsein ändern. Das neue Denken gefolgt vom neuen Tun hilft also nur sehr wenig. Dem neuen Denken muss durch das „Fühlen“ eine neue Haltung folgen, aus der sich ein neues Bewusstsein ergeben kann (das habe ich mit der „liegenden Acht“ dargestellt).
    Weil Sie noch so viele weitere Punkte angesprochen haben, werde ich später wieder darauf zurück kommen. Ich danke für Ihren Beitrag!
    Bis bald, liebe Grüße,

    Heinz Peter Wallner

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