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Bewältigungsstrategien für instabile VUCA-Umwelten

Bewältigungsstrategien für instabile VUCA-Umwelten
by Heinz Peter Wallner

Inspirationen für das Führungskräftetraining

Artikelreihe zum Buch „Fokus Self-Leadership“: Ich möchte meinen Blog-Leser/innen eine Artikelreihe anbieten und einige Auszüge aus unserem Buch publizieren. Ich wünsche Ihnen viel Lesevergnügen und freudige Erkenntnisse für Ihr Self-Leadership! Sie finden hier auch Inspirationen für das Führungskräftetraining, in dem Selfleadership immer einen zentralen Aspekt bildet.

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Kapitel: Wie wir auf die Welt reagieren können (Quelle: Fokus Self-Leadership – Gesunde und wirkungsvolle Selbstführung in Zeiten hoher Komplexität, Edition Summerhill, 2017, von Heinz Peter Wallner, Kurt Völkl, Seite 21-29)

Altes Gasfeuerzeug aus Messing mit brennender Flamme. Das Feuerzeug ist von der Marke Zippo. Der Hintergrund des Bildes wirkt grau, weil er unscharf ist.

Fotocredit: Dodo Kresse, www.summerhill.at

Wie wir auf die Welt reagieren können

In diesem Beitrag stellen wir uns in Wechselwirkung mit der Welt und schauen uns an, wie wir auf verschiedene Situationen reagieren. Welche Strategien zur Bewältigung von schwierigen Situationen haben Sie bereits entwickelt? Die Bewältigungsstrategie, um komplexe Herausforderungen zu meistern, wird in der Psychologie Coping genannt. Dies können Sie sich so vorstellen, dass die Umwelt, aus der sich eine bestimmte Lebens- oder Führungssituation ergibt, Ihnen diese Herausforderung als „Frage“ stellt und Sie um „Antwort“ bittet. Sie sind am Zug.

Entweder Sie brillieren und antworten schnell und der Situation adäquat oder Sie zögern, verstecken sich, suchen Auswege, ignorieren die Frage und geben keine passende Antwort. Sie können sich natürlich gut vorstellen, dass Sie ausnahmslos in der ersten Situation ein gutes Gefühl haben werden. Die zweite Wahl ist uns auch allen bekannt, aber sie fühlt sich so richtig schlecht an. Wie also können wir reagieren? Welche Grundhaltungen können wir gegenüber der Umwelt entwickeln?

Coping – unsere Bewältigungsstrategien

Stellen Sie sich eine einfache Situation aus einem Führungsalltag vor. Die Firmenleitung beschließt eine größere Veränderung, die Ihre Abteilung besonders stark trifft. Ihr Team, das Sie zu führen haben, arbeitet ohnehin an der absoluten Belastungsgrenze und kommt nun noch weiter unter Druck. Als Führungskraft gehören Sie weder der Firmenleitung noch dem Team an. Sie stehen irgendwo dazwischen und fühlen sich wie Janus, der römische Gott des Anfangs und des Endes. Janus hatte zwei Gesichter, was eine gute Metapher für eine Führungskraft abgibt. Sie schauen mit einem Gesicht zur Firmenleitung und mit dem anderen mitten in das Team.

Jetzt sehen Sie sich vor Herausforderungen gestellt, die Sie aus zwei Richtungen treffen. Sie werden von zwei Seiten, der Firmenleitung und Ihrem Team, belastet. Wie gehen Sie mit der Situation um? Haben Sie dafür eine Bewältigungsstrategie?

Quelle: Fokus Self-Leadership, Seite 22

Wenn Sie auf eine solche Herausforderung entsprechend vorbereitet sind, dann haben Sie just in diesem Augenblick die Kompetenz und Sicherheit, klar und entschieden zu handeln. Vielleicht laufen Sie gerade unter solch schwierigen Bedingungen zur Höchstform auf. Viele aber werden sich mit ihrer Verzweiflung zurückziehen, abwarten und hoffen. Vielleicht tut sich ja von selbst ein Weg auf. Ob Sie nun die erste Handlungsoption zur Verfügung haben, hängt zu einem Gutteil davon ab, wie Sie grundsätzlich mit Ihrer Umwelt umgehen.

Sie können der Umwelt immer den ersten Zug lassen, um dann entsprechend auf den Eröffnungszug zu reagieren. So eine Art des Handelns nennen wir reaktiv. Sie reagieren auf eine Herausforderung der Umwelt erst, wenn sie schon da ist und Sie das Problem geerbt haben. Sie können sich auch in die Umwelt hineindenken und versuchen, den nächsten Zug zu antizipieren. Das wird Ihnen nicht immer gelingen, gibt es doch Unvorhersehbares, aber manchmal eben funktioniert es doch. Sie reagieren dann nicht, Sie agieren proaktiv, vorausschauend. Das hat den Vorteil, dass Sie mehr Zeit haben, Ihre Kompetenzen und Ressourcen aufzubauen, die Sie im Fall des Falles dann gut einsetzen können.

Es gibt noch eine dritte Art, mit der Umwelt umzugehen. Wir nennen sie agil oder naszierend. Sie sind dann sowohl reaktiv als auch proaktiv unterwegs, je nachdem, was Ihnen gerade als die beste Strategie erscheint. Bei zu viel Gegenwind können Sie auch mal im Windschatten bleiben. Bei Rückenwind wird es einfacher sein, vorauszueilen.

Unsere reaktiven Bewältigungsstrategien

Grundsätzlich gehört die aktive Umweltbeobachtung zu einer strategischen Grundhaltung und sollte somit ein Grundsatz wirksamer Führungsarbeit sein. Es gibt aber viele Gründe, warum das nicht immer möglich ist. Der gefährlichste Grund ist mit Verwöhnung zu erklären. Sind wir zu lange in stabilen Zeiten gefangen, dann werden wir träge und gewöhnen uns an die Welt, wie sie uns erscheint. Irgendwann hören Sie auf, daran zu glauben, dass es auch plötzlich anders kommen könnte. Sie konzentrieren sich auf das, was ist, und Ihr Fokus schwenkt von den Eventualitäten der Umwelt weg und richtet sich voll auf das aktuelle Geschehen ganz nahe bei Ihnen.

Der „Feind“ kann in Ruhe näher kommen, weil ihn niemand mehr beachtet. Die scheinbare Stille und Gleichmäßigkeit verwöhnt uns und wir unterliegen der süßen Versuchung, die Ruhe als gegeben, als Geschenk, hinzunehmen.

 

Quelle: Fokus Self-Leadership, Seite 24

Sie wissen es natürlich, diese Haltung ist höchst gefährlich. Dennoch, es macht im unternehmerischen Alltag manchmal Sinn, den Fokus auf das Jetzt zu legen und keine Energie an die Zukunft zu verschwenden. Es gibt eben Problemstellungen, die volle Konzentration „nach innen“ verlangen. Eine reaktive Grundhaltung kann auch über eine Strategie zu rechtfertigen sein. Es gibt Fokusbereiche einer Strategie, die eine höchst proaktive Haltung einfordern, aber es gibt auch Low-Level-Bereiche, die schon aus Gründen der fehlenden Kapazitäten reaktive Haltungen erfordern. Reaktiv handeln meint dann: Ich habe keine Zeit dafür. Es ist immer sinnvoll, mit den Energien gezielt, also sehr fokussiert umzugehen.

Das Reaktive bildet den Gegenpol zum proaktiven Handeln. Sie wissen bereits, wie mit solchen Widersprüchen umzugehen ist. Es ist weder der eine noch der andere Pol richtig oder falsch. Es braucht immer unsere Entscheidung, welche Haltung und welches Handeln besser zur Situation passt. Das Reaktive ist also nicht falsch, sondern nur nicht immer adäquat. Wer reaktiv agiert und diese Haltung bewusst wählt, der kann auch eine große Gelassenheit entwickeln. Was immer auf mich zukommt, es wird richtig sein und ich werde eine passende Antwort finden. Dann kann ich mich auch einmal entspannen und mein Fernglas zur Seite legen.

Wenn Sie also reaktiv agieren, dann am besten wohl überlegt. Es zahlt sich manchmal einfach nicht aus, auf der Lauer zu liegen und auf eine Überraschung zu warten, die höchstwahrscheinlich nicht kommen wird. Zu bedenken ist aber unsere Beobachtung über die instabilen Zeiten und die VUCA-Umwelt. Die Situationen, in denen Sie auf diese Weise entspannen können, werden immer kürzer und seltener.

Unsere proaktiven Bewältigungsstrategien

Das Prinzip des proaktiven Handelns hat Victor Frankl zur Meisterschaft gebracht. Er konnte das sogenannte „Reiz-Reaktions-Schema“ durchbrechen, indem er zwischen dem Reiz, der aus der Umwelt kommt, und der eigenen Reaktion darauf eine „Pause“ einführte. In dieser Pause, die einen Moment dauert, hat Frankl die größte Freiheit des Menschen erkannt: Wir haben nämlich immer die Wahlfreiheit, wie wir auf einen Reiz reagieren. Wenn wir schon den Reiz weder verschwinden lassen noch verändern können, so bleibt es uns dennoch überlassen, wie wir den Reiz bewerten und was unsere Reaktion darauf ist.

Quelle: Fokus Self-Leadership, Seite 26

Das proaktive Handeln bringt also eine Freiheit in unser Leben. Wir übernehmen Verantwortung für unser Denken, unsere Gefühle und für unser Handeln. Damit wird der Begriff „proaktiv“ zum Schlüsselwort für Self-Leadership. In dieser Deutung geht es also gar nicht mehr so sehr darum, in die Zukunft zu blicken und vorbereitet zu sein. Vielmehr ist mit „proaktiv“ gemeint, das Leben und alles, was uns im Leben, also auch im Führungsleben, passiert, aktiv zu betrachten und uns aus der Opferrolle herauszunehmen.

Das stärkt uns innerlich erheblich, weil uns diese Haltung von der eigenen Hilflosigkeit befreit. Ganz befreit uns aber unsere Wahlfreiheit nicht von der strategischen Aufgabe, die Zukunft zu beobachten. Nur wer in die Zukunft vorausdenkt und mögliche Gefahren schon frühzeitig erkennt, kann sich darauf gut vorbereiten. Das ist eine wertvolle Form der Gelassenheit. Und wissen Sie, wo Menschen Gelassenheit, evolutionär gesehen, erlernt haben? Gelassenheit sei eine biologische Savannenerrungenschaft, meint Peter Sloterdijk. Der Gedanke dahinter: Gelassenheit ist eine Folge der Sicherheitsreserve durch einen besonders weiten Blick in die Ferne. Nur wer den Feind schon aus der Ferne kommen sieht, kann es sich erlauben, faul am Baum zu sitzen und zu entspannen. Wir Menschen sind dann proaktive, achtsame „Dösewesen“.

Um als Führungskraft gesund zu bleiben, gilt es, wichtige Voraussetzungen zu schaffen, die allesamt in der proaktiven Grundhaltung zu finden sind. Die Erkenntnisse gehen auf Aaron Antonovsky zurück. Erstens Verstehbarkeit: Sorgen Sie trotz aller „VUCA-Tendenzen“ dafür, die Situationen, die sich im Alltag auftun, zu verstehen. Menschen brauchen ein Warum, auch wenn es nicht immer eines geben kann. Zweitens Handhabbarkeit: Entwickeln Sie genügend Ressourcen, um mit Krisensituationen einen guten Umgang zu finden. Meiden Sie die Opferrolle wie die Pest. Drittens Bedeutsamkeit: Sorgen Sie dafür, dass Dinge in Ihrem Leben eine Bedeutung haben.

Unsere agilen Bewältigungsstrategien

Proaktiv oder reaktiv, was ist nun besser? Das ist ein bekannter, aber alter Streit um Worte. Wofür Sie auch immer Position beziehen, es ist wahrscheinlich auch das Gegenteil wahr oder zumindest gut begründbar. Eigenartigerweise liegt die Wahrheit diesmal nicht in der Mitte. Es ist besser, auf die Suche nach einer Synthese zu gehen. Dabei söhnen wir uns „dialektisch“ mit dem Widerspruch aus, nehmen das Beste von beiden Seiten und kreieren eine Synthese auf höherer Ebene. Wenn uns eine Synthese gelingt, dann ist diese Lösung besser als beide vorherigen Thesen. Genau das versuchen wir mit dem Begriff „agile Bewältigungsstrategien“ zu zeigen.

Quelle: Fokus Self-Leadership, Seite 28

Wenn wir uns an die VUCA-Bedingungen der Umwelt erinnern, dann zeigt sich schnell, dass die Welt für uns immer unberechenbar bleiben wird. Nasim Nicolas Taleb hat dafür den Begriff des Schwarzen Schwans bemüht. Die wirklich wichtigen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft gehen fast immer auf ein unvorhersehbares Ereignis, einen Schwarzen Schwan, zurück. Wir brauchen also ein Handlungsmuster, das uns ideal auf die Komplexität der Welt einstimmt. Wir müssen ruhen können und trotzdem in Bewegung bleiben; wir müssen Gelassenheit entwickeln und trotzdem wachsam und achtsam sein; wir müssen auf alles vorbereitet sein und uns trotzdem mit Freude überraschen lassen.

Wenn das Fließen der Veränderung und der Stau des Bewahrens ineinander übergehen, dann befinden wir uns im Flussdelta. Im Delta angekommen, gilt: Alles fließt und staut zugleich. Wir können schlussfolgern: Die Wirtschaft und mit ihr alle Führungskräfte sind im Delta angekommen. Alles fließt ist genauso richtig wie alles staut. Wir lösen uns vom Endweder-oder und lassen uns auf einen naszierenden Zwischenzustand ein, den wir agil nennen wollen.

Dem liegt eine lebendige, flexible, situationsangepasste Haltung zugrunde, die innere Stärke hervorbringt, weil jede Situation, aber auch wirklich jede, immer zwei Ebenen berührt: die Ebene der Gelassenheit, resultierend aus der bereitwilligen Annahme der Situation, so unangenehm sie auch scheinen mag, und die Ebene des verantwortungsvollen, bewussten Agierens mit den entwickelten Potenzialen und Erfahrungen des Lebens. Mit dieser Grundhaltung treffen wir mitten ins Herz des Self-Leaderships.

 

Herzlich,

Ihr Heinz Peter Wallner

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Link zum ersten Artikel: Vorfreude auf den nächsten Zustand

Link zum zweiten Artikel: Die komplexe Welt

Link zum dritten Artikel: Die VUCA Welt

Link zum vierten Artikel: LIEBT MICH DIE WELT AUCH WIRKLICH?

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Dr. Heinz Peter Wallner Learning to change! Dem Wandel begegnen, Komplexität meistern, auf höhere Ebenen kommen! Führungskräftetrainer, Strategie- und Changeberater, Buchautor, Vortragender, mit 25 Jahren Berufserfahrung. Leadership, Self -Leadership und Persönlichkeitsentwicklung, Umgang mit Veränderung und hoher Komplexität (VUCA Welt), Leading Change, Entscheidungsfindung und neue emotional-intuitive Führungskompetenzen für agile Führungsformen. Das ganzheitliche und kreative Design wird Sie überraschen. Web: www.hpwallner.com Takern I 109, 8321 St. Margarethen/Raab, Österreich Mobil: +43-664-8277375 Office: +43-664-8277376 Mail: wallner [at] trainthe8.com Office: office [at] trainthe8.com

2 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Dr. Wallner,
    toller Auszug aus Ihrem Buch, das ich schon gelesen und auch verschenkt habe. Habe viel von Ihren Impulsen für mich auch aus den anderen Büchern aufgenommen und kann diese nun gut verwenden, da ich in meinem neuen Job (Leitung Living Campus Leoben) die Geschäftsleitung auf verschiedene Veränderungsprozesse hinweise.
    Ihnen für Ihre wertvolle Arbeit alles Gute
    Bernhard Almer (ehemals Uni for life)

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