Drei Führungsprinzipien in der Führungsarbeit
Führungskräfte suchen im Führungskräftetraining oft nach schnellen und einfachen Antworten auf ihre Herausforderungen. Das ist sehr gut nachvollziehbar. Der Punkt aber ist, es gibt kaum einfache Regeln, aber wir können immer Prinzipien finden, die handlungsanleitend sind. Darum geht es. Es sind die hilfreichen „Heuristiken“, die Menschen helfen, sich in komplexen Umfeldern sicher zu bewegen.
Heute beschäftigt mich folgende Frage:
Welche sind aus Ihrer Sicht die 3 wichtigsten Führungsprinzipien für eine Führungskraft?
Worauf kommt es aus Ihrer Sicht besonders an, wenn es um Mitarbeiterführung oder Selbstführung geht? Warum ist das Ihrer Meinung nach so wichtig?
Meine Gedankenskizzen zu Prinzipien der Führung
Wir suchen also nicht nach Regeln, sondern nach „Prinzipien“. Ich nehme das zum Anlass auf die Suche nach „Grundgesetzen“ der Führung (und Selbstführung) zu gehen, die immer Gültigkeit haben, also auf einer Metaebene zu antworten. Prinzipien in diesem Verständnis sind daher weder Fähigkeiten, die Menschen in Führungsfunktionen haben sollten, noch sind es Führungsaufgaben, die zu erfüllen wären.
Auf der Ebene der Fähigkeiten und Aufgaben sehe ich nur mögliche Empfehlungen aber keine Prinzipien. Ein Prinzip ist (meine Definition für diesen Artikel) ein Gesetz, das wirkt, das beeinflusst und zwar unabhängig davon, welche Haltung ich einnehme, welche Fähigkeiten ich entwickelt habe oder welche Aufgaben zu erfüllen sind.
Mein Umgang mit den Prinzipien bestimmt, ob ich als Führungskraft positiv wirke oder im Sumpf versinke.
Mein Vorschlag für mögliche drei Prinzipien mag daher einerseits im ersten Moment seltsam abgehoben klingen. Ich halte diese Prinzipien aber andererseits für extrem praxisnah, weil sie den Führungsalltag massiv bestimmen und beeinflussen.
Wahrscheinlich können sehr viele Probleme in der Führungsarbeit auf diese Prinzipien zurückgeführt werden. Ich würde sogar sagen: Wer ihnen Beachtung schenkt, wird Freude und Erfolg finden, wer sie missachtet, vielmehr vom Gegenteil.
Kann man Prinzipien ignorieren?
Im Führungskontext können wir Prinzipien nicht ignorieren, aber durch Machteinsatz umgehen. Doch wer will das Spiel mit der Macht heute noch und welcher Quelle sollte diese Macht in Zukunft entspringen?
Ohne Macht aber sind wir auf unsere Kraft als Menschen in der Rolle als Führungskraft angewiesen, verlieren den Schutz und machen uns verletzbar. Der neue Schutz für Führungskräfte in Zeiten, in denen wir Machtstrukturen abbauen und selbstorganisierte Netzwerke hoher Komplexität unsere Arbeit bestimmen, ist die Kenntnis der wenigen Prinzipien, die unser Leben bestimmen. Sie bestimmen auch die Führungsarbeit.
Meine Auswahl von drei Prinzipien, die Führung beeinflussen
Aus mehreren Prinzipien habe ich hier drei ausgewählt, die mir im Kontext der Führung bedeutsamer erscheinen als andere. Ich fasse zusammen, was ich gefunden habe und was mir selbst und vielen Führungskräften in unserer gemeinsamen Arbeit wichtige Einsichten und Erkenntnisse gebracht hat. Diese Prinzipien gelten für die Selbstführung und für die Führung von Menschen in gleicher Weise.
(1) Prinzip Polarität („zwischen den Polen“)
„Willkommen in der Welt der Widersprüche“
Führungsarbeit findet immer in einem Spannungsfeld statt, das mit Widersprüchen unterschiedlicher Art gespickt ist. Eine Führungskraft muss bereit sein, Widersprüche hinzunehmen und sie zu „prozessieren“ ohne sie je auflösen zu können. Beispiele dazu gibt es viele. Bewahren – verändern, Nähe – Distanz, Vertrauen – Kontrolle, Individuum – Team, Gleichheit – Unterschiedlichkeit, Selbstverantwortung – Vorgaben, Einheit – Unterschiedlichkeit, Projekt – Linie u.v.a.m.
Das Gute daran: „Alle Widersprüche zusammen sind die Energie der Welt“. Widersprüche lassen uns entweder erstarren und am Widerstand scheitern oder sie bauen unangenehm hohe Spannungen auf, die sich dann in Form von Konflikten entladen und uns in Bewegung bringen. Ein Widerspruch ist also kein Problem, sondern ein Prinzip der Führungsarbeit.
Hilfreich im Umgang mit dem Prinzip Polarität sind folgende Fragen: Was ist das größere Spiel und welchen Widerspruch bekomme ich vom „System über mir“ eingespielt? Welche Ausprägung hat dieser Widerspruch auf meinem Spielfeld als Führungskraft?
Widersprüche, die ich nicht lösen kann, verlangen Gelassenheit und Bereitwilligkeit, beides Haltungen, die energetisch über der Haltung Widerstand liegen. Es geht um ein Aussöhnen und gleichzeitig um konsequente Bearbeitung in Form von Dialogen, Prozessen zur Konfliktlösung oder Entscheidungsprozessen in iterativen Schleifen.
Hierzu ein Kurzvideo zum Thema Widersprüche (Aporien und aporetische Konflikte in Unternehmen):
(2) Prinzip Resonanz („mitten im Fluss“)
„Führung muss in den Fluss kommen. Daneben stehen tut weh und lässt Menschen ausbrennen“
Führung ist Arbeit mit Menschen. In der sozialen Interaktion entsteht entweder Resonanz oder eben nicht. Es ist ein Spiel mit Energien, die in einen Fluss kommen wollen. Resonanz in der Führung wirkt als Prinzip zwischen Menschen, zwischen Menschen und ihrer Tätigkeit, zwischen Menschen und ihren Zielen, aber auch zwischen Menschen und dem Sinn der Organisation.
Entsteht positive Resonanz sprechen wir von „Flow“, dann sind wir mitten im Fluss und erschaffen viel, mit relativ wenig Energieaufwand. Sind wir aber nicht in Resonanz gekommen, wird die Arbeit mühsam und fühlt sich elend an. Ohne Resonanz brauchen wir mehr Energie als wir haben und brennen schließlich aus.
Hilfreich im Umgang mit dem Prinzip Resonanz ist:
Den Menschen und ihren Emotionen Raum und Zeit geben, Achtsamkeit üben und den Energien nachspüren, als Führungskraft gezielt verstärken, was „von selbst“ in Bewegung kommt, Möglichkeiten schaffen, die Kreativität und Selbstorganisation fördern, Wertschätzung in der Kommunikation üben, aber auch Konflikte dialogisieren (Prinzip Polarität).
Das wirksamste Mittel für eine Führungskraft, in ein gutes Resonanzfeld zu kommen, besteht darin, die Menschen mit ihren Eigenheiten, Schrullen, ihren Vorzügen, Talenten und all ihren Fehlern zu mögen.
Das für die Führungsarbeit so wichtige Vertrauen, das sich zwischen Menschen aufbaut, ist für mich ein Resonanzphänomen. Wenn Menschen in Resonanz miteinander arbeiten, entsteht aus dem Widerspruch zwischen Vertrauen und Kontrolle ein „begründetes Vertrauen“ auf einer höheren Ebene. Mit der Motivation verhält es sich ähnlich. Wenn wir in einem Resonanzfeld arbeiten, ist Motivation kein Thema, das Beachtung braucht. Sie ist dann einfach da.
Um als Führungskraft mit den MitarbeiterInnen in Resonanz zu kommen, hilft es oft, sich eine Frage auf symbolischer Ebene zu stellen: „Was hat mich so verstimmt? Warum sind die MitarbeiterInnen anders gestimmt als ich? Welche Stimmhebel habe ich zur Verfügung? Welche Handlung, welchen Fehler, welche Verletzung muss ich ansprechen, damit wir wieder „stimmig“ werden? Was müssen wir einander verzeihen, um alte Wunden ausheilen zu lassen?“
Resonanzen im Dialog
Eines der wirkungsvollsten Instrumente dazu ist aus meiner Erfahrung der Dialog nach David Bohm, das offene Gespräch am Ende der Diskussionen.
Menschen, so auch meine persönliche Einsicht, sind Sucher nach Resonanz. Sie wollen sich in gelingenden Beziehungen finden, sie wollen Spiegelung ihrer Gefühle erleben, sie brauchen Aufmerksamkeit und schließlich wollen Menschen sinnvolle Dinge tun und etwas in Bewegung bringen.
(3) Prinzip Ordnungsmuster
„Menschen führen ist Arbeit mit dem Leben“
„Aus Gedanken werden Formen – wir erschaffen Welten“
Wenn Menschen in Interaktion treten, entstehen ganz von selbst neue Ordnungsmuster, es bilden sich Regeln und neue Kommunikationsstrukturen aus, es formen sich Inseln, es prägen sich Gewohnheiten ein. Alle zusammen fungieren als eine Art „kleine Welten“, die wir gemeinsam erschaffen.
Eine Frage, die Führungskräften im Umgang mit dem Prinzip Ordnungsmuster weiter hilft, sollte klar gestellt werden. Fragen sie sich schonungslos offen, ob Sie als Mensch, ob Ihr Tun, Ihre Kommunikation, Ihre Bedingungen und Ihr Rahmen, also alles, was Sie definieren und vorgeben, die Lebendigkeit in der Gruppe, im Team, in der Abteilung erhöht.
Alles, was die Lebendigkeit der Menschen und des Systems erhöht ist gut für das Unternehmen, ist gut für die Menschen, ist gut für die Kunden und letztlich ein Beitrag zu einer besseren Welt. Alles andere ist verzichtbar und führt uns mitten ins Leid.
Hier ein Link zu einem vertiefenden Artikel zum Thema: „Hindernisse sind nicht allmächtig“
Hier ein Kurzvideo zum Thema Ordnungsmuster:
In einem meiner Sachbücher über Führung, das ich hier werbend erwähnen möchte, sind diese Prinzipien und noch drei weitere ausführlich beschrieben und für die Führungsarbeit praktisch aufbereitet.
BUCH: Das innere Spiel – Wie Entscheidung und Veränderung spielerisch gelingen
Herzlichen Dank, dass Sie mir bis hierher gefolgt sind!
Heinz Peter Wallner
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Offene Stelle: Co-Redakteur einer Vollendungsgeschichte
Einige Minuten, um die Gegenwart zu erhellen
Meine persönliche Darstellung des Self-Leaderships: Heinz Peter Wallner, 2016, TAKE FIVE – Die fünf Schlüssel zu mehr Lebendigkeit und innerer Stärke, Edition Summerhill, 1. Auflage, www.take-five-for-life.de, Link: Book2Look
Visuelle Aufbereitung und mit klarem Führungsbezug: Heinz Peter Wallner, Kurt Völkl, 2017, Fokus Self-Leadership – Gesunde und wirkungsvolle Selbstführung in Zeiten hoher Komplexität, Edition Summerhill, 1. Auflage, www.selfleadership.pro, Link: Book2Look
Hallo,
endlich komme ich dazu die Beiträge der anderen Blogparaden-Teilnehmer zu lesen und ich bin beeindruckt, was da an interessanten Texten entstanden ist!
Und immer wieder sehe ich parallelen zu meinen Gedanken . so auch hier.
Das Prinzip Resonanz ist ganz nah an meinen Gedanken zur Führung durch Empathie.
Ein „Leitwolf“ muss sehen und verstehen, um aus Individuen ein Rudel zu formen, das gemeinsam auf die Jagd geht. Denn nur wer in mein Herz blickt, kann wirklich verstehen, wie man mit mir umgehen muss. Nur wenn ein Anführer nachempfinden kann, was in mir vorgeht, kann er mir vermitteln, warum ich tun sollte, was er von mir möchte.
Danke für diese 3 interessanten Prinzipien
Heike Lorenz
Hallo Frau Lorenz, Sie haben ganz recht, unsere Gedanken zu den Prinzipien sind sehr ähnlich. Resonanz und Empathie, aber auch Kreativität und Ordnungsmuster (=Lebendigkeit) vertragen sich gut 🙂 Danke für Ihren interessanten Beitrag und liebe Grüße, Heinz Peter Wallner