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Zukunft denken? Die Abkehr von der Zukunft als einzige Chance

Zukunft denken? Die Abkehr von der Zukunft als einzige Chance
by Heinz Peter Wallner

Zukunft denken

Naturgemäß gehört die Vorwegnahme des Kommenden zu der Entfaltung der Überschüsse, kraft welcher jede nicht ganz entgeisterte Generation glücklich rücksichtslos über ihre Verhältnisse lebt.“ Peter Sloterdijk, Die schrecklichen Kinder der Neuzeit, Suhrkamp, Seite 370.

Tomas Saraceno - Galaxien - Biennale09

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Der Charme der Zukunft

Sind wir nicht schon viele Jahre konsequent dabei, der Zukunft jeden Charme zu nehmen? Wer kann sich heute noch auf die Zukunft freuen, im Sinne einer Vorfreude auf einen baldigen Zustand, den wir erleben werden? Wenn wir uns aber die Vorfreude auf Kommendes nehmen, was bleibt uns Menschen dann übrig? Machen wir nicht alle unsere Wünsche und Ideen der Zukunftsfähigkeit damit zu geistigen Abfällen, die wir gleichsam in unsere Zukunft stopfen und sie als Deponie benutzen?

Wir haben es verlernt, wirklich in die Zukunft zu denken

Es gibt sie noch, die Futuristen, die Utopisten. Einige unter ihnen machen Filme, die uns zeigen, was die Zukunft bringen könnte. Zu oft wird heute die Utopie aber zur Apokalypse, die als fast schon notwendige Folge unseres Handelns verstanden wird. Wir leben, wie es heute heißt, nicht nachhaltig, zukunftslos. Das ist wohl richtig, aber dennoch kann kaum jemand dem Begriff der Nachhaltigkeit (sustainability) wirklich viel abgewinnen. Soll hinter diesem alten, verstaubten Begriff, der aus der Forstwirtschaft stammt und reaktiviert wurde, wirklich etwas Attraktives verborgen liegen, ein Land, das wir als Menschheit freudig erkunden können? Wohl kaum. Wissen wir doch, aus welchem Stoff dieses Land gemacht ist.

Nachhaltigkeit und der Verzicht

Vernunft statt Spaß, Verzicht und Mangeldenken, statt Überfluss und Schlaraffenland, Wachstumsstopp statt Ausdehnung, Schuldspruch statt Freiheit, Gutmenschengehabe statt Menschlichkeit, Besinnung auf Herkunft, aus der eine beschränkte Zukunft erwachsen darf, statt chancenreicher Perspektiven und Utopien, all das lädt uns nicht zum Mitfeiern ein.

Die Weltenretter der Nachhaltigkeitscommunity

Der Begriff Nachhaltigkeit reicht zwar in der Bedeutung einer langfristigen Ressourcennutzung schon mehr als 300 Jahre in die Vergangenheit zurück. Die Weltenretter der Nachhaltigkeitscommunity wagen aber kaum mehr als 50 oder 100 Jahre vorauszudenken. Was sind schon hundert Jahre? Welche freudige Utopie kann sich aus einer so enggeistigen Perspektive heraus entwickeln? Natürlich ist das Konzept der Nachhaltigkeit gut gemeint. Ich selbst erkunde dieses Feld schon mehr als 20 Jahre mit einigem Eifer. Es geht ja eigentlich im Kern um eine gute Zukunft. Die Chance, die ich noch heute darin sehe, liegt in der neuen Ganzheitlichkeit und in der spirituellen Perspektive, die nur langsam Einzug hält in diese Welt. Als visionäre Zukunftsschau aber ist der Begriff Nachhaltigkeit kaum mehr brauchbar.

Langfristiges Denken

Einzig die mittlerweile schon weithin verhasste Nuklearenergieindustrie denkt noch in zeitlich relevanten Perspektiven. Sie sind die einzigen, die eine Spanne von mehr als 10.000 Jahren in die Zukunft blicken müssen, auch wenn ihnen dabei die Symbole des Todes Gesellschaft leisten, wenn sie hunderte Generationen über die Gefährlichkeit ihrer Abfälle informieren müssen. Kein Wunder also, wenn wir Menschen dem „feuerwerksartigen Endverbrauch“ (nach Peter Sloterdijk) unserer Ressourcen in rücksichtsloser Feierstimmung mehr abgewinnen, als einer unwahrscheinlichen, beschränkten und nur mittelfristigen Fortsetzung namens Nachhaltigkeit.

Zukunft denken und die Nachhaltigkeit überholen

Wer denkt also heute in die Zukunft? Wo sind die großen Visionen, die uns als Gesellschaft antreiben und somit auch den Individuen neue Chancen und Begeisterungsmöglichkeiten bieten? Soll es die Raumfahrt zum Mars sein? Wir haben gerade erst begonnen, den Kosmos unserer eigenen Intelligenz zu erkunden. Es wird immer unfasslicher, welches Potenzial wir in und mit unserem Gehirn zu erkennen beginnen. Was wir da zwischen unseren Ohren tragen ist in seiner Komplexität und somit auch in seiner Leistungsfähigkeit ein utopisches Projekt der Evolution. Warum sollte es dann nicht eine einfache Fingerübung für uns sein, eine neue Welt zu entwerfen, in der Menschen sich integriert in die universellen Naturwelten entfalten können? Wir sind auch mitten im Prozess, in dem sich wissenschaftliche und spirituelle Welten zu vereinen beginnen und sich somit die Pforte zur wahren Menschwerdung öffnet. Was daraus entstehen kann, ist eine himmlische Utopie. Jedenfalls aber eine Welt, für die es sich zu begeistern wieder lohnt. Dazu müssen wir die sich im Kreis drehende Nachhaltigkeitsdebatte einfach überholen.

Abkehr von der Zukunft aus heutiger Sicht

Die Zukunft aus heutiger Sicht ist trotz oder wegen der Nachhaltigkeit nicht attraktiv. Peter Sloterdijk verwendet folgende Beschreibung: „Kaum jemand hat je begriffen, in welchem Maß die von allen Seiten in Dienst genommene „Zukunft“ ein Deponie für Illusionsabfälle der überforderten Gegenwart darstellt“ (Seite 370). Aus seiner Sicht verliert die Zukunft ihren Zauber, weil sie zum Aufnahmeraum für Verstöße der Gegenwart wird. Wir machen aus unserer Zukunft die Zeit der Schuldenrückzahlung, die Zeit der Aufarbeitung unserer Abfälle, eine Problembewältigungszeit oder die Zusammenbruchsvertagungszeit. Kurz, wir nehmen der Zukunft das Futuristische. Was bleibt denn jenen, für die in Zukunft hoffnungslos überschuldeten und im Übermaß belasteten Generationen schon anderes übrig, als sich von der Zukunft abzuwenden und ihr den Rücken zu kehren? (Seite 487).

Zwei spannende Zukunftspfade kann ich sehen und will ich mir ausmalen

  1. Die Befreiung und Selbstfindung des Menschen und die Erkundung der göttlichen Lebendigkeit. Damit meine ich die Befreiung von den Dressuren der Enkultivierung, die Selbstfindung im Sinne der wahren Bestimmung von uns, die Erkundung spiritueller, metaphysischer Welten und der universellen Intelligenz unseres Geistes.
  2. Die Entwicklung von Utopien einer ganzheitlichen Welt. Wir brauchen neue Ideen für Lebensräume und Entwicklungsräume, geprägt von Atmosphären der Lebendigkeit, der Ganzheitlichkeit und einem Interbeing mit/in der Natur und der Evolution. Jedenfalls brauchen wir Bilder einer Zukunft für uns Menschen und alle anderen Wesen und Geister auf dieser Erde, die eine unerhört große Vorfreude in uns wecken, die emotional aufwühlen und natürlich aus heutiger Sicht unmöglich realisierbar sind. Dann nämlich nur, sind die Ideen es wert, gedacht zu werden.

Wir sollten uns also von der Zukunft abkehren und uns mit Leidenschaft wieder unseren Utopien hingeben. Dazu fällt mir ein wahrer Visionär ein: „It is now highly feasible to take care of everybody on Earth at a higher standard of living than any have ever known. It no longer has to be you or me. Selfishness is unnecessary. War is obsolete. It is a matter of converting our high technology from Weaponry to Livingry“. (Zitat von R. Buckminster Fuller). Zumindest ist der Beginn eines neuen Jahres wertvoll genug, die Gedanken weiter ausschwärmen zu lassen, als es uns die „heutige Zukunft“ noch erlaubt.

Herzlich,

Ihr Heinz Peter Wallner

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Dr. Heinz Peter Wallner Learning to change! Dem Wandel begegnen, Komplexität meistern, auf höhere Ebenen kommen! Führungskräftetrainer, Strategie- und Changeberater, Buchautor, Vortragender, mit 25 Jahren Berufserfahrung. Leadership, Self -Leadership und Persönlichkeitsentwicklung, Umgang mit Veränderung und hoher Komplexität (VUCA Welt), Leading Change, Entscheidungsfindung und neue emotional-intuitive Führungskompetenzen für agile Führungsformen. Das ganzheitliche und kreative Design wird Sie überraschen. Web: www.hpwallner.com Takern I 109, 8321 St. Margarethen/Raab, Österreich Mobil: +43-664-8277375 Office: +43-664-8277376 Mail: wallner [at] trainthe8.com Office: office [at] trainthe8.com

2 Kommentare

  1. Am schönsten fand ich die Stelle: Machen wir nicht alle unsere Wünsche und Ideen der Zukunftsfähigkeit damit zu geistigen Abfällen, die wir gleichsam in unsere Zukunft stopfen und sie als Deponie benutzen? – > Halten wir also die Zukunft frei von einengenden Gedanken und spazieren wir leichtfüßig mit heiterem Sinn und möglichst gedankenfrei in die Freiheit der Kreation. Fühlen ist das neue Denken! 😉
    Danke HPW – Prof. Literatura Inetti

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