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Das Tabu des Scheiterns und der Umgang mit dem Misserfolg

Das Tabu des Scheiterns und der Umgang mit dem Misserfolg
by Heinz Peter Wallner

Das Tabu des Scheiterns und der Umgang mit dem Misserfolg

Siddhartha reflektiert nach seinem eigenen Scheitern sein Leben. Wir können für den Umgang mit dem Misserfolg viel von ihm lernen.

Anders sah er jetzt die Menschen an als früher, weniger klug, weniger stolz, dafür wärmer, dafür neugieriger, beteiligter  (H.Hesse, Siddhartha)

Wunsch nach dem Schwarm

Sehnsucht nach dem Schwarm

Knietief im Müll

Das Tropicana Motor Hotel bot ein Bild des Niedergangs, wie von Raymond Chandler beschrieben. Tom Waits war von dem Ort fasziniert und zog kurzerhand dort in ein Appartment ein. „Waits‘ Zwei-Zimmer-Appartment stand sinnbildlich für seinen Gemütszustand. Knöcheltief mit Alben und Aschenbechern, Büchern und Bierbüchsen gefüllt …“. „Tom lebte gewissermaßen knietief im Müll“, erklärte sich Bette Midler, warum Tom keinen Besuch wünschte (Zitate aus: Tom Waits, Barney Hoskyns).

Das war um 1976. Und heute? Sehen Sie ihn sich einmal an. Es gibt viele, die Tom Waits als herausragendsten Musikkünstler unserer Zeit bezeichnen. Ich jedenfalls bin bescheiden dieser Meinung. Heute ist Erfolg für Tom Waits kein großes Thema mehr. Er hat ihn gefunden, der Erfolg den Künstler  Tom Waits.

Das wiederholte Scheitern aber hat er kennen gelernt, und die Kritiker, die ihn vernichtend darstellten, haben das ihre dazu beigetragen. Er selbst wohl auch. Wenn ich heute Tom Waits höre, dann spüre ich alle Höhen und Tiefen des Lebens gleichzeitig. Keine andere Musik kann das in mir auslösen. Wenn der erfolgreiche Waits „Bottom Of The World“ singt, (hören Sie sich das auf Youtube an) ist dies eine Festnacht der Gefühle.

Im Secret-Wahn verlaufen

Wir Menschen sind in großer Anzahl dabei, uns in einem „Secret-Wahn“ zu verlaufen. Erfolg im Leben wird zum Muss, zur Leichtigkeit, dem sich nur denkfaule Versager verwehren. Wir können uns in kurzer Zeit erfolgreich, gesund und glücklich denken. Gott, warum machen das nicht alle Menschen sofort? Was macht der öde Misserfolg noch unter uns, warum weilt die Armut mitten unter uns?  Oh ja, ich glaube auch an das Gesetzt der Anziehung und an die Kraft unseres Geistes. Aber ich glaube auch an die anderen Gesetze des Lebens und die Prüfungen, denen wir ausgesetzt sind. Der Artikel von Dr. Rüdiger Dahlke ist das Klügste, was ich zu dieser Frage bisher gelesen habe.

Das neue Oben

Jede Weiterentwicklung führt über einen anstrengenden Weg nach Oben. Es ist nicht die Lust am Leiden, die mich das sagen lässt. Im Gegenteil, ich bekenne mich dazu, ein Sucher nach möglichst einfachen Wegen zu sein. Lange halte ich mich in der Ebene auf und grase die letzten Weiden ab, bevor ich mich auf den nächsten Aufstieg innerlich einstellen kann.

Ich empfinde die persönliche Weiterentwicklung wie einen Heureka! Prozess. Das Warten, die Plateauphasen, die Verzweiflung und „die Tage der finstersten Nacht“ gehören zu diesem Spiel des Lebens einfach dazu. Es sind die eigenen Grenzen, die wir zu spüren bekommen.

Laufende Prüfungen

Das Leben prüft uns, bevor wir uns wirklich weiter entwickeln, immer wieder auf’s Neue. Weiterentwicklung ist natürlich mehr als Erfolg. Erfolg können auch Menschen im Flachland haben und reich werden sowieso. Auch wenn die Prüfungen des Reichtums auch nicht jeder Mensch bestehen kann, weil gar nicht alle zugelassen werden, so sind sie doch einfach. Der Weg dorthin ist ein Abstieg, mitten hinein in die materielle Festung der Sinnlosigkeit.

Der innere Ruf

Es ist natürlich leichter über Erfolg und Reichtum zu urteilen, als sie zu erreichen. Soviel steht fest. Auch wenn die Sinnfrage mit Recht zur zögerlichen Haltung führt, so gibt es doch den innerlichen Ruf nach einem Lebenserfolg. Schon im Basislager sind wir gut beraten, das ganzheitliche Bild des erfolgreichen Lebens (Karriere) zu erkunden und Pixel für Pixel zu vervollständigen.

Der innere Ruf ist oft leise, aber alleine die Ahnung eines Oben reicht aus, um den oft beschwerlichen, oft finsteren Weg zu gehen und die nächste Stufe auf der Himmelsleiter zu erklimmen.

Die Verwundung und ihr Geschmack

… im Innersten wie von einem göttlichen Pfeile verwundet, dessen Verwundung süß schmeckt, im Innersten verzaubert und aufgelöst, stand Govinda noch eine kleine Weile, über Siddharthas stilles Gesicht gebeugt.

(Siddhartha von Herman Hesse).

Der süße Geschmack einer Verwundung ist das Geschenk, das jeder Misserfolg für uns bereit hält. Wir Menschen neigen dazu, uns vor Verwundungen aller Art zu schützen. Kaum eine Rüstung ist so dick gepanzert, wie der Schutz vor Misserfolgen. Jeder Misserfolg bläht die Selbstzweifel auf und lässt große Ego-Blasen entstehen, die uns die Sicht versperren. Das Ego bestimmt unser Leben und hält uns in den Ebenen des Flachlandes fest. Es verhält sich launenhaft und fordernd wie eine Diva.

Im Dialog mit dem Leben

Im Dialog mit dem Leben

Das Ego dem Leben aussetzen

Wenn wir die Ritterrüstung ablegen, die wir um unser Ego gebaut haben, wird die Erkundung des Lebens wieder spannend. Der Mut zum Risiko, das eigene Ego aufzuweichen, wird meist belohnt, wenn es auch immer einige Rückschläge geben wird.

Ich will auch Erfolg. Er hat mich auch sittsam durchs Leben begleitet. Nicht, dass ich den wirklich großen Erfolg je erlebt hätte, aber ausreichend für ein gut genährtes Ego war es alle Mal. So komme ich auf der Suche nach einem nächsten Schritt in meiner Entwicklung, nach mehr ganzheitlichem Lebenserfolg, wieder auf den Misserfolg zurück.

Ich nähere mich den Grenzen auf beiden Seiten und warte auf eine süße Verwundung. Es ist der Erfolg, der uns heiter macht, der Misserfolg, der uns traurig macht, aber die versöhnte  Vereinigung beider, die uns zum Glück führen kann. So gesehen würde ich sagen, es gibt kein Glück ohne laufender Episoden von Misserfolgen und Erfolgen.

Nur weil wir unser Ego nicht dem Rhythmus des Lebens aussetzen wollen, gelangen wir in die Erfolgsstarre, die uns sicher kein Glück bringt. Erfolg macht ebenso wenig glücklich wie Geld. Wenn wir es unserem Ego zumuten, schon einmal klein zu werden und einen Misserfolg einstecken zu müssen, nähern wir uns dem Glück viel wahrscheinlicher.

Nur das Ego macht Misserfolg zu einem Tabu. Die Suche nach dem Glück lässt uns dieses Tabu brechen und die Verwundungen auskosten. Das eingangs erwähnte „Bottom Of  The World“ (Tom Waits) gibt uns den Vorgeschmack. Dieses Lied ist ein Plädoyer für das Leben.

Der Misserfolg ist mehr als ein Steigbügel

Viele vertreten die Meinung, wir brauchen die Misserfolge als Steigbügel, um Erfahrungen zu machen, die uns dann letztlich doch wieder zum Erfolg führen. Das stimmt wahrscheinlich und zeigt auch einen gangbaren Weg.

In mir aber nährt sich das Gefühl, dass wir im Misserfolg und im Erfolg ein gleichwertiges Pärchen finden, das zum Leben ebenso gehört wir Freude und Trauer, wie Weiß und Schwarz, wie Licht und Schatten.

Wir brauchen den Misserfolg nicht, damit er uns einmal zum Erfolg führt, sondern er ist, was er ist: ein für sich wesentlicher Bestandteil des Lebens und der Weiterentwicklung des Menschen.

Die Synthese von Erfolg und Misserfolg

Im Misserfolg finden wir den Erfolg und in jedem Erfolg auch den Misserfolg, genauso wie wir im Säugling schon den Greis, im Räuber schon den künftigen Buddha finden.

Die Welt, Freund Govinda, ist nicht unvollkommen, oder auf einem langsamen Wege zur Vollkommenheit begriffen: nein, sie ist in jedem Augenblick vollkommen, alle Sünde trägt schon die Gnade in sich, alle kleinen Kinder haben schon den Greis in sich, alle Säuglinge den Tod, alle Sterbenden das ewige Leben“

Zitat aus Herman Hesses‘ Siddhartha. Somit ist Misserfolg nicht etwas, was wir überwinden müssen, sondern er ist schon im Augenblick des Erlebens ein Teil der Vollkommenheit eines Lebens, das süß schmeckt.

Herzlich,

Heinz Peter Wallner

 

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Meine persönliche Darstellung des Self-Leaderships: Heinz Peter Wallner, 2016, TAKE FIVE – Die fünf Schlüssel zu mehr Lebendigkeit und innerer Stärke, Edition Summerhill, 1. Auflage, www.take-five-for-life.de, Link: Book2Look

Visuelle Aufbereitung und mit klarem Führungsbezug: Heinz Peter Wallner, Kurt Völkl, 2017, Fokus Self-Leadership – Gesunde und wirkungsvolle Selbstführung in Zeiten hoher Komplexität, Edition Summerhill, 1. Auflage, www.selfleadership.pro, Link: Book2Look

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Dr. Heinz Peter Wallner Learning to change! Dem Wandel begegnen, Komplexität meistern, auf höhere Ebenen kommen! Führungskräftetrainer, Strategie- und Changeberater, Buchautor, Vortragender, mit 25 Jahren Berufserfahrung. Leadership, Self -Leadership und Persönlichkeitsentwicklung, Umgang mit Veränderung und hoher Komplexität (VUCA Welt), Leading Change, Entscheidungsfindung und neue emotional-intuitive Führungskompetenzen für agile Führungsformen. Das ganzheitliche und kreative Design wird Sie überraschen. Web: www.hpwallner.com Takern I 109, 8321 St. Margarethen/Raab, Österreich Mobil: +43-664-8277375 Office: +43-664-8277376 Mail: wallner [at] trainthe8.com Office: office [at] trainthe8.com

9 Kommentare

  1. Sie sprechen mir aus dem Herzen. Besonders der „Secret Wahn“ zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Komme ich mir in Diskussionen um Spiritualität & Wirtschaft nicht selten wie in einem mystischen Supermarkt vor.

  2. Pingback: Von der Scham zur Chance: die neue Fehlerkultur | 7meilenstiefeletten
  3. Lieber Peter,
    während ich das Lied von Tom Waits „Bottom of the World“ höre, lese ich deinen Text. Ich mag deinen bildhaften Stil. Hast du Teile geschrieben hast, während du TW gehört hast?
    „Das Leben prüft uns, bevor wir uns wirklich weiter entwickeln, immer wieder auf’s Neue.“ – dieser Satz hat eine schwere Leichtigkeit:-) die mir gefällt.
    Ich kenne Prof. Kruses 8 Regeln und finde sie köstlich. Diese Form der Ironie mag ich sehr.
    Achja – und danke, dass du mich in deinen Blogroll aufgenommen hast! 🙂 ich hab meine linked- site jetzt auch überarbeitet! 🙂
    Alles Liebe, Diana

  4. Liebe Diana,
    wow, kaum jemand verfolgt meine Beiträge so intensiv wie Du 😉 Danke Dir dafür.
    Ja, das „Bottom of the World“ habe ich einfach laufen lassen; das mache ich öfter. Sonst aber ist es während des Schreibens normal ruhig, weil oft sehr spät in der Nacht. Jetzt habe ich gerade Deine !Linked Seite besucht und habe den Link zu mir gefunden. Mit großer Ehrfurcht habe ich den Satz gelesen und mich gefragt, meint sie wirklich mich? http://www.dianaljubic.net/linked.html – jedenfalls herzlichen Dank für den Link und die Beschreibung. Ich werde weiter im Verborgenen nach Schätzen suchen 😉
    Alles Liebe, Peter

  5. Lieber Peter, deine Texte und „Gedanklichkeiten“ sind jedesmal inspirierend und – ja ich will es so ausdrücken – auch wenn es diese Wörter in diesen Kontexten „eigentlich nicht geben sollte laut Rechtschreibregelung“ – realisierend. Wie kreativ könnten wir alle sein/werden, wenn wir öfter Regeln hinterfragen würden…. Du bist bereichernd und dafür hier einem Dank an dich. Viel Freude beim TW hören – weiterhin. Liebe Grüße. GN

  6. Liebe Gudi, danke für Deine Anmerkung und Unterstützung. Ich freu mich, wenn Du hier vorbeikommst und Spuren hinterlässt. Ja, TW ist eine gute Idee für den Abend! herzliche Grüße, Peter

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